© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/19 / 05. Juli 2019

49,9 Prozent und kein Promille mehr
Übernahme des Stromkonzerns Uniper: Der Betriebsrat ruft die Politik zu Hilfe, um den finnischen Großinvestor Fortum abzuwehren
Marc Schmidt

Die Uniper-Angestellten rufen die deutsche und die finnische Politik zu Hilfe. Seit Monaten bleibt der Fahrplan beim Erwerb der Mehrheit durch den staatlichen finnischen Investor Fortum im unklaren. Der Betriebsrat forderte am Montag in einem Brief an den Fortum-Vorstandsvorsitzenden Pekka Lundmark – der Brief ging auch an die Bundesregierung und die finnische Regierung – das „Verschleiern der Strategie“ aufzugeben, und kündigt heftigen Widerstand gegen eine mögliche vollständige Übernahme an.

Seit ihrer Gründung als zunächst konzerninterne Gesellschaft 2015 hat die Uniper SE eine gute Kursentwicklung vollzogen, obwohl das Unternehmen alles andere als ein Lieferant guter Nachrichten war. Uniper wurde als Energie-Badbank von der E.ON SE geplant, deren Kerngeschäft vor allem in Kohle-, Gas- und Wasserkraftwerken liegt. Hier landete alles an Erzeugungskapazitäten, was nicht mehr populär ist. Zu dem erfreulichen Kursverlauf, der sich seit 2017 ziemlich konstant bei 26 Euro, das heißt bei 150 Prozent über dem Ausgabekurs, bewegt, kommt 2019 eine erneut deutlich gestiegene Dividende. Diese beschert Kommunen im Ruhrgebiet wichtige Einnahmen und wird von den Gewerkschaftsvertretern im montanmitbestimmten Konzern im Interesse der Mitarbeiteraktien hart verteidigt.

Was in reinen Zahlen wie ein langweiliges Großunternehmen mit 13 Kraftwerken in Deutschland und mehr als 50 Produktionsanlagen im Ausland anmutet, ist nun ein Kriegsschauplatz zwischen dem finnischen Großinvestor – der schon 49,9 Prozent von Uniper besitzt und den Rest übernehmen will – sowie Management und Betriebsrat. Dabei kämpfen die letztgenannten gegen Fortum, dessen Einstieg und Aktienzukäufe für Unipers Kurshoch sorgten. Die Fronten sind durch Maximalforderungen verhärtet.

Großaktionär Fortum, der durch kartellrechtliche Probleme in Rußland von der Machtübernahme im Konzern abgehalten wird, verspricht, Uniper nicht zu zerschlagen. Diese Zusage geht dem Betriebsrat aber nicht weit genug, der neben einem Verzicht auf eine Zerschlagung, ein De-facto-Umstrukturierungsverbot mit einer gleichzeitigen Arbeitsplatzgarantie für alle 12.000 Beschäftigten, von denen 4.000 in Deutschland tätig sind, fordert.

Unternehmen ist wichtig für die Energiesicherheit

Beim Kampf um Unipers Unabhängigkeit waren in den vergangenen Wochen bereits der Geschäftsführer des Unternehmens Klaus Schäfer und der Finanzvorstand Christopher Delbrück zurückgetreten, wobei Schäfer gesundheitliche Gründe angab. Gleichwohl ist der Rückzug das Eingeständnis der Niederlage des Vorstands in einem Abwehrkampf gegen einen Investor, den der Ex-Finanzvorstand Delbrück sogar noch als quasi letzte Amtshandlung auf der Uniper-Hauptversammlung 2019 in seiner Rede weiterführte.

Die Rückzugsankündigungen und den fortdauernden Machtkampf nahmen amerikanische und englische Fonds mit einer Beteiligung von insgesamt 23 Prozent zum Anlaß, auf der Hauptversammlung am 22. Mai dieses Jahres eine Abspaltung der Auslandsgeschäfte, insbesondere in Rußland zu beantragen. Ohne das lukrative Rußlandgeschäft könnte Fortum die Aktienmehrheit an Uniper übernehmen und damit den Wert der Anteile der Fonds steigern. Dies würde allerdings der bisherigen Unternehmensstrategie widersprechen und hätte deutliche Berichtigungen des Wertes des Unternehmensportfolios zur Folge. Letztendlich wurden alle kritischen Anträge, inklusive der auf Einsetzung eines Sonderprüfers für den scheidenden Finanzvorstand, auf der Hauptversammlung abgelehnt, auch mit den Stimmen Fortums.

Zurück bleibt ein für die deutsche Energieversorgung wichtiges MDAX-Unternehmen, in dem der neue Geschäftsführer Andreas Schierenbeck und Finanzvorstand Sascha Bibert eine massive Führungs- und Vertrauenskrise überwinden müssen. Die Chancen hierfür sind eher schlecht, Betriebsrat und der Investor Fortum stehen einander inhaltlich trotz aller Bekundungen frontal gegenüber ohne Spielraum für Veränderungen ohne Gesichtsverlust. Gleichwohl ist der Druck auf den Vorstand, international strategisch zu agieren, groß. Uniper ist an der Pipeline Nord Stream 2 beteiligt und zugleich Partner verschiedener amerikanischer Konzerne, die Flüssiggas nach Europa liefern wollen. Die Sanktionen, die der US-Präsident Donald Trump für alle an Nord Stream 2 Beteiligten angekündigt hat, würden das Unternehmen hart treffen. Ob ein Vorstand, der die Strategie seines Hauptaktionärs nicht kennt und diese nicht gegen seine Belegschaft umsetzen kann, in solchen Verhandlungen erfolgreich auftreten kann, werden die nächsten Wochen zeigen. Der Machtkampf bei Uniper bleibt bis auf weiteres ein Patt mit Schaden für das Unternehmen wie für alle Beteiligten.