© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/19 / 05. Juli 2019

Die Lücken schließen
Alternative Online-Angebote gewinnen zunehmend Leser
Björn Harms

Von einem „Sterben der Blogs“, wie alle paar Jahre mal wieder geunkt wird, kann wahrlich nicht die Rede sein. Alleine auf WordPress, der wohl bekanntesten „Blog-Software“, werden noch immer jeden Monat rund 77 Millionen Blogposts veröffentlicht. Wie viele Schreiberlinge es derzeit in Deutschland gibt, ist unklar. Schätzungen reichen von 350.000 bis 2.500.000 Blogs. 

Auffällig jedoch ist, daß in den vergangenen Jahren immer mehr konservative, patriotische oder liberale Blogs nach oben schießen, während linke Blogs an Bedeutung verlieren. Die Alternativen sind breit gefächert: Von bekannten Blogs wie der Achse des Guten, pi-news, Philosophia Perennis oder Tichys Einblick, die mittlerweile die Reichweite von Tageszeitungen haben, über Wirtschaftsblogs, wie dem des Journalisten Norbert Häring, der insbesondere im Zusammenhang mit Klagen gegen die Rundfunkgebühr einem größeren Publikum bekannt geworden ist, bis hin zu Nachrichtenplattformen wie Einzelfallinfos, die sich zum Ziel gesetzt haben, Straftaten von Asylbewerbern und Migranten konsequent zu dokumentieren. 

Gerade letzterer Blog beweist: Die „Lückenpresse“ (Ulrich Teusch), und damit verbunden das häufige Auslassen von relevanten Informationen, sorgt in der Bevölkerung für größer werdenden Unmut. Immer weniger Menschen sehen sich repräsentiert, immer mehr vermissen kritische Fragestellungen. Warum also nicht die Sache selbst in die Hand nehmen?

 Das kann Ferdinand Vogel, Betreiber des Blogs Young German nur bestätigen. Die Motivation, einen eigenen Blog zu starten, sei „die Suche nach einem Ventil“ gewesen, erklärt der 27jährige im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. „Vieles, was man im Alltag erlebt, findet im Mainstream keinerlei Erwähnung. Ich wollte mir vieles von der Seele schreiben, was mich störte, aber so nicht thematisiert sah.“ 

Auf seinem Blog schreiben verschiedene Autoren über kulturelle Phänomene, demographische Probleme, vor allem aber auch militärische Fragen. Ein großer Teil der Autorenschaft habe einen persönlichen Bezug zur Bundeswehr, erzählt Vogel. Rund die Hälfte diente in der Armee, zum Teil auch in höheren Dienstgraden – „was den Verfall dieser Institution noch schwerer zu ertragen macht“, gibt der junge Blogger zu bedenken. Gerade der „Verlust des Kämpferischen, des ritterlichen Ideals“ in der westlichen Kultur, sei ein Thema, das viele Beiträge durchziehe. Überhaupt scheint Verlust für Vogel ein leidiges Thema zu sein. 

Ausdruck eines Kulturkampfes 

„Die Konservativen haben recht spät erkannt, daß Kultur und Bildungspolitik viel wichtiger ist, als Verkehr oder Wirtschaft“, ist er sich sicher. „Sie haben den Kulturkampf erst spät aufgenommen.“ Jetzt erst dämmere es vielen: Der Vorsprung, den die Linken sich auf diesem metapolitischen Feld über Jahrzehnte ausgebaut hätten, sei immens.

Doch mehren sich auch auf diesem Gebiet interessante, konservative Perspektiven. Florian Sander, hauptberuflich als Dozent für Soziologie und Politikwissenschaft an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Nordrhein-Westfalen tätig, betreibt seit April 2018 seinen Blog konservative revolution. Sander will hoch hinaus: Neben soziologischen Analysen finden sich hier vor allem Aufsätze und Essays aus den Bereichen der Politischen Theorie, der Staats- und Gesellschaftstheorie und der Metapolitik. Er selbst vertrete Positionen, „die auch schon andere, teils sehr prominente patriotisch-linke Hochschuldozenten in Deutschland vertreten haben“, bemerkt Sander, der derzeit seine Doktorarbeit an der Universität Bielefeld schreibt. Beispielhaft seien Personen wie Herbert Ammon, Henning Eichberg oder Peter Brandt.

Doch hat die publizistische Tätigkeit – immerhin ist die Konservative Revolution mit all ihren Ausprägungen für viele Linke ein vermintes Gebiet – jemals für Probleme gesorgt? Auch seine auf dem Blog postulierte AfD-Mitgliedschaft dürfte kaum für Wohlgefallen sorgen. „Nein“, sagt Sander, „weder seitens der Studenten noch seitens der Hochschule“ habe es bislang Probleme gegeben, „von den erwartbaren negativen Reaktionen mancher Kollegen in der zwischenmenschlichen Sphäre abgesehen“. 

Das Thema Hochschule bearbeiten auch zwei weitere Blogger. Michael Klein und Heike Diefenbach betreiben seit 2011 die Seite Sciencefiles.org, die zwischen 10.000 und 25.000 Leser pro Tag hat. Beide stammen aus der Wissenschaft. Klein ist studierter Politikwissenschaftler, analysierte unter anderem für die Europäische Union die Daten des Eurobarometers und publizierte als freier Wissenschaftsjournalist Artikel in der Welt, Süddeutschen Zeitung oder Frankfurter Rundschau. Diefenbach promovierte im Fach Soziologie und lehrte für viele Jahre an diversen Universitäten. 

Derzeit beschreiben sich die beiden als „Aussteiger, aus dem zunehmend unbefriedigend gewordenenen Uni-Alltag“, sie arbeiten als Unternehmensberater. Ihre publizistische Arbeit im Netz verfolge das Ziel „dem Mißbrauch der Wissenschaft etwas entgegenzusetzen“, teilen sie der JF mit. „Seither beziehen wir Stellung gegen alle Versuche, Unsinn als Realität zu inszinieren, zum Beispiel Gender Studies zu Wissenschaft machen zu wollen, empirische Sozialforschung als Legitimationsinstrument zu mißbrauchen.“ 

Dafür haben Diefenbach und Klein eigens das „Gender Trash Ranking“ geschaffen. Dies soll einen Überblick über die Verbreitung von Gender Studies an deutschen Universitäten verschaffen und aufzeigen, wie weit die sozialwissenschaftlichen Fakultäten auf dem Weg von der Wissenschaft zur Ideologie bereits vorangeschritten sind. „Nach unseren Beobachtungen müssen einige Universitäten bereits als Kaderschmieden gelten“, erklären die beiden. Die Skala berücksichtigt dabei Universitäten, an denen es Gender-Studies-Professuren gibt und setzt sie ins Verhältnis zu Professuren für Wissenschaftstheorie und Logik. Je größer das Mißverhältnis zwischen den beiden – zugunsten der Gender Studies – desto größer der Trash-Faktor. 

Der Idealismus an ihrem Projekt soll dabei nicht auf der Strecke bleiben. Gerade Soziologen sind ein leichtes Ziel, der Vorwurf des Geschwätzwissenschaftlers ist nur allzu bekannt. Dem wollen Diefenbach und Klein entgegenwirken. „Wir versuchen auf dem Blog die Relevanz von Sozialwissenschaften aufzuzeigen und die Freude an ihr zu vermitteln.“ 

Eine derartige Aufklärungsarbeit liegt auch Jürgen Fritz am Herzen, der seit Anfang 2017 seinen gleichnamigen Blog betreibt. Seine auf „Politik und Zeitgeschehen“ ausgerichetete Seite verzeichnet inzwischen rund 400.000 bis 900.000 Seitenaufrufe pro Monat. Damit hat er eine Größenordnung erreicht, die sich auch finanziell lohnt. Mittlerweile könne er sich ganz „auf die Recherchearbeit, das Schreiben und die Verwaltung konzentrieren“. Wie verortet sich Fritz politisch? „Wenn Sie mich als nationalen Liberalen bezeichnen, liegen Sie sicherlich nicht ganz verkehrt“, bemerkt der studierte Philosoph. Es brauche nun mal „eine nationale Identität als verbindentes Element, als Band, um den Staatsbürgern über ihre gemeinsame Geschichte, Kultur und Tradition eine Basis zu geben, auf der Demokratie überhaupt erst möglich wird“. An seinem Blog, übersichtlich aufbereitet und gestaltet, wird zudem deutlich, voran es vielen anderen patriotischen Blogs noch mangelt: Eine seriöse Aufmachung, verbunden mit einem soliden Layout.