© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/19 / 05. Juli 2019

Ein Dan Brown des Glaubens
Der Dogmatik-Professor Gisbert Greshake als Krimiautor: Ein Kenner des Vatikans bietet Einblicke und Urteile
Georg Alois Oblinger

Wer heute in den beruflichen Ruhestand eintritt, ist körperlich und geistig meist wesentlich rüstiger, als Rentner und Pensionäre früherer Zeiten dies waren. Zu diesem Zeitpunkt suchen sich dann viele eine neue Beschäftigung, die zugleich auch eine persönliche Herausforderung sein soll. Sich selbst und anderen kann man so beweisen, welche bisher ungeahnten Fähigkeiten in einem stecken. Gisbert Greshake, der langjährige Freiburger Dogmatiker, der nach seiner Emeritierung im Jahr 1999 noch als Gastprofessor an der Gregoriana in Rom wirkte, träumte eigenen Angaben zufolge immer schon davon, einmal einen Kriminalroman zu schreiben. Jetzt nutzte er sein Rentnerdasein und die Tatsache, daß heute vor allem Krimis mit einem bestimmten Lokalkolorit gefragt sind. Als Kenner der Kirche und vor allem des Vatikans bringt er gute Voraussetzungen mit, um einen Kirchenkrimi zu schreiben.

Kirchliche Würdenträger kommen meist schlecht weg

In den Jahren 2006 bis 2015 hat er gleich drei Krimis mit dem italienischen Kommissar Quaestore Bustamente geschrieben. Sie tragen die Titel „Mein Vater, der Papst“, „Ritenstreit“ und „Kleine Fuge in g-moll“ und erschienen unter dem Pseudonym Roman Carus im Verlag Josef Knecht. Der letztgenannte Kriminalroman erscheint nun vier Jahre nach seiner Erstveröffentlichung unter Klarnamen im Echter-Verlag. Der Grund für diese neuerliche Veröffentlichung mag darin bestehen, daß inzwischen bekannt geworden ist, wer sich hinter Roman Carus verbirgt. Auch die Tatsache, daß ein renommierter Theologe in einem wissenschaftsorientierten Verlag veröffentlicht, mag erfolgversprechend sein. Dem letzten und ausgefeiltesten seiner Romane wollte Greshake wohl eine weitere Chance geben.

Es wird aber auch schnell deutlich, warum der Dogmatik-Professor zunächst ein Pseudonym für seinen Ausflug in die Belletristik wählte. Was bereits die Titel der Krimis ahnen lassen, macht die Lektüre dann vollends deutlich: Der Autor kennt nicht nur den Vatikan und die Menschen, die dort arbeiten; er stellt auch deren Schwächen schonungslos bloß. Mit einem Dan Brown, der den ganzen Vatikan für eine Verbrecherorganisation hält, kann Greshake zwar nicht mithalten. Doch kirchliche Würdenträger und fromme Laien kommen bei ihm meist schlecht weg. Kommissar Bustamente, der als Identifikationsfigur gilt, bezeichnet sich selbst als ungläubig. Ihm steht die römische Kurie gegenüber, die nur vertuschen möchte. Einige Kleriker und Laien entwickeln dabei eine gehörige Portion krimineller Energie.

Sechs unbekleidete Leichen werden an unterschiedlichen Orten aufgefunden. Ihnen ist gemeinsam, daß sie durch eine Giftspritze getötet wurden, ihnen aber zuvor Beruhigungsmittel verabreicht wurden und daß ihr Kopf zu Brei zermalmt wurde. Das Thema sexueller Mißbrauch taucht sehr früh im Roman auf, gerät dann aber zunehmend an den Rand. Noch üblere Machenschaften scheinen hinter den vatikanischen Mauern stattzufinden. Besonders hart geht Greshake mit den konservativen Katholiken ins Gericht. Ihr Gottesbild ist mit Gerechtigkeit und Strafe verknüpft; daher sind sie Befürworter der Todesstrafe und neigen im Extremfall auch zur Selbstjustiz.

Der Kriminalroman „Kleine Fuge in g-moll“ kann mit anderen Romanen dieses Genres durchaus mithalten, ragt aber auch nicht besonders heraus. Der Autor besticht durch seine detailreichen Kenntnisse des Vatikans und des kirchlichen Betriebs. Das Kirchenbild, das er in seinem Roman vermittelt, unterscheidet sich leider kaum von dem der Boulevardpresse.

Gisbert Greshake: Kleine Fuge in g-moll. Echter Verlag, Würzburg 2019 broschiert, 152 Seiten, 12,90 Euro