© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/19 / 12. Juli 2019

Wir kommen wieder
Vor fünfzig Jahren startete die Saturn V, mit der erstmals in der Geschichte Menschen auf dem Mond landeten: Die Nasa plant für 2024 eine neue bemannte Mondexpedition an. Es wäre die erste seit 1972. Diesesmal wird es ein Wettkampf mit China.
Tobias Albert

Es war ein kleiner Schritt für Neil Armstrong, der 1969 die Welt den Atem anhalten ließ: Die Menschheit hatte es geschafft, den Grenzen der Erde zu entfliehen und den Mond betreten. Bis 1972 sollten noch fünf weitere Mondlandungen folgen, doch seitdem hat unser Nachbar auf menschlichen Besuch verzichten müssen.

Das dürfte sich bald ändern, denn in diesem Frühjahr hatte die Nasa angekündigt, für 2024 eine neue bemannte Mondmission anzupeilen. Nasa-Administrator Jim Bridenstine erklärte zuversichtlich: „Wenn wir eine Aufgabe vom Präsidenten erhalten, zusammen mit den nötigen Ressourcen und Werkzeugen, werden wir sie erfüllen.“ Die amerikanischen Pläne gehen noch weiter: Bis 2028 soll eine Raumstation den Mond permanent umkreisen, ähnlich wie die ISS um die Erde fliegt. Die „Gateway“ soll ein Zwischenstopp für künftige Mondmissionen werden. Astronauten können sie als Operationsbasis nutzen, um auf der Mondoberfläche zu landen oder um dort wissenschaftliche Experimente durchzuführen.

Monddorf bauen mit Staub und 3D-Drucker

Das europäische Pendant zur Nasa, die Esa, hat noch ambitioniertere Ziele: Ein „Moon-Village“ (Monddorf) soll zum ersten permanent besetzten menschlichen Stützpunkt auf dem Erdtrabanten werden. So äußerte sich Jan Wörner, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und aktueller Generaldirektor der Esa. Ein konkreter Zeitplan existiert hierzu zwar nicht, aber der Bau der Luna-Übungshalle, in der die Bedingungen auf dem Mond simuliert werden, hat bereits begonnen. Als zweischneidiges Schwert erweist sich indes der Staub auf der Oberfläche des Mondes. Einerseits beschädigt er Getriebe und Dichtungen von Maschinen und ist somit ein großes Sicherheitsrisiko, andererseits läßt er sich nutzbar machen: Der Mondstaub enthält Sauerstoff und Wasserstoff, die laut Luna-Projektleiter Matthias Maurer extrahiert werden können, um Atemluft und Wasser für die Astronauten zu gewinnen. Ebenso ließe der Staub sich mit einem 3D-Drucker zu Bauelementen verarbeiten, so daß das Monddorf ohne Materialien von der Erde gebaut werden könne.

Doch warum ist nach jahrzehntelanger Pause der Mond wieder in das Interesse der Raumfahrtbehörden gerückt? Sicherlich ist der Entdeckergeist der Menschen bis heute ungebrochen, aber die milliardenschweren Unternehmungen von Nasa und Esa sind nicht nur durch das Ausleben von Abenteuerlust zu rechtfertigen. Aus wissenschaftlicher Perspektive ist der Mond bis heute ein reiches Forschungsfeld: Eine gründliche Analyse der Mondsedimente kann uns viel über die geologische Entwicklung unserer Erde lehren. Und da der Mond weder eine Atmosphäre hat, noch von Kommunikationssatelliten umrundet wird, können dort Radioteleskope quasi ohne Störquellen den Weltraum untersuchen – auf der Erde wäre dies nicht machbar.

Aber wie schon im Kalten Krieg ist die Weltraumeroberung auch eine Frage von Prestige und strategischer Technologien. Die moderne Infrastruktur ist davon abhängig, daß die Kommunikation über Satelliten reibungslos funktioniert. Diese Abhängigkeit wird sich im Zeitalter der selbstfahrenden Autos und des „Internets der Dinge“ noch vergrößern, so daß militärische Interventionen im Weltall nicht mehr lange dem Reich der Science-fiction angehören dürften. Daher war die erfolgreiche Landung einer chinesischen Sonde (im Januar dieses Jahres) samt Rover auf der „dunklen“ Rückseite des Mondes, im Funkschatten der Erde, nicht nur ein technologisches Meisterstück, sondern ist auch als Kampfansage an den Westen zu verstehen. Es bleibt offen, wohin uns Armstrongs großer Schritt für die Menschheit letztendlich führen wird.

Vor einer Woche kündigte US-Präsident Donald Trump bei seiner Rede zum Nationalfeiertag großspurig sehr große Schritte an: „Sehr bald werden wir eine amerikanische Flagge auf dem Mars hissen.“ Denn: „Für Amerikaner ist nichts unmöglich.“


Der Countdown zu den Sternen: Vor 50 Jahren betraten Menschen zum ersten Mal  den Mond. Angefeuert durch die Systemkonkurrenz boten USA und Sowjetunion alles an Geist und Material auf, was in ihrer Macht stand. Das Rennen zum Mond machten am Ende die Amerikaner. Zu Hilfe kam ihnen ein Zufall. (ru)

Start ins Weltraumzeitalter: 3. Oktober 1942

Vom Gelände der Heeresversuchsanstalt Peenemünde auf Usedom erreicht die Fernrakete Aggregat 4 eine Flughöhe von über 80 Kilometern. Dort begann nach damaliger Definition der Weltraum. Die A4, vom Raketenkonstrukteur Wernher von Braun entwickelt, war das erste menschengemachte Objekt, das je den Weltraum erreichte. 1944 gelingt mehr als die doppelte Höhe. Als die USA in den Sechzigern die Raketenlücke zu den Sowjets schließen wollen, schlägt Brauns Stunde: Er kann mit Expertise und detaillierten Raketenplanungen aufwarten.

Sputnik-Schock: 4. Oktober 1957

Die UdSSR schießt mit Sputnik 1 den ersten künstlichen Erdsatelliten ins All, getragen von der Interkontinental-Atomrakete R-7. Für die USA ein Schock. Der Weltraum hat strategische Bedeutung bekommen. Einen Monat später umkreist im Sputnik 2 die Hündin Laika als erstes Lebewesen die Erde. Der Kongreß verabschiedet den National Defense Education Act und bewilligt eine Millarde Dollar für die Forschung. Im Oktober 1958 wird die Nasa gegründet. Die U.S. Army wendet sich von Brauns Mondplänen zu. Ist ein Außenposten auf dem Mond machbar?

Gagarin im All: 12. April 1961

Mit dem Raumschiff  Vostok 1 umrundet der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin als erster Mensch im Weltall die Erde. Eine Blamage für Amerika. Drei Wochen später erst fliegt der Astronaut Alan Shepard ins All, wegen der schwachen Rakete jedoch ohne Erdumrundung. US-Präsident John F. Kennedy nimmt die Herausforderung durch die Sowjets an und gibt am 25. Mai 1961 die Marschroute vor, noch vor Ende des Jahrzehnts einen Mann auf den Mond zu bringen. Das Apollo-Programm wird gestartet.

Erfolgreiche Erdumkreisung: 20. Februar 1962

John Glenn wird der erste Amerikaner in der Erdumlaufbahn. Mit dem Raumschiff Friendship 7 umkreist Glenn die Erde dreimal. Der vollwertige bemannte Weltraumflug war das Ziel und ein großer Erfolg des Mercury-Programms, mit dem die USA zur Sowjetunion aufschlossen, die nach Zahl und Dauer der Raumflüge noch immer führte.

18. März 1965: Weltraum-spaziergang

Mit der Gemini-4-Mission unternimmt Edward White am 3. Juni 1965 den ersten Weltraumspaziergang eines US-Bürgers. Die Gemini-Flüge zwischen 1965 und 1966 lieferten die nötigen Grundfertigkeiten und Technologien für eine Mondlandung, wie geeignete Schutzanzüge, das Annähern und Ankoppeln im Orbit und vieles mehr. Die Sowjets kamen den Amerikanern um drei Monate zuvor: Am 18. März verließ Kosmonaut Alexei Leonow die Woschod 2 zu einem Außenbordeinsatz. 

Rückschläge     1966 – 1968

Der Kopf des sowjetischen Raketenprogramms, Chefentwickler und Kontrahent Wernher von Brauns, Sergej Koroljow stirbt am 14. Januar 1966 während einer Operation. Der Tod des Universalgenies (mit seiner Sojus flogen Gagarin und Alexander Gerst) reißt ein Loch, von dem sich die sowjetische Raumfahrt nie erholt. – Am 27. Januar 1967 bricht bei einer Übung am Boden in der mit reinem Sauerstoff gefüllten Apollo-1-Kapsel ein Feuer aus. Die dreiköpfige Crew verbrennt. – Kosmonaut Wladimir Komarow stirbt am 24. April 1968 beim harten Aufschlag der Rückkehrkapsel des fehlerbehafteten Raumschiffs Sojus 1. Komarow ist der erste Tote auf einem Weltraumflug.

Erste bemannte Apollo-Mission: 11. Oktober 1968

Die Apollo-7-Mission erbringt den Beweis, daß auch längere Flüge mit der Apollo-Kapsel möglich sind. Sie bleibt elf Tage im Erdorbit. Die Kapsel erweist sich als technisch ausgereift. Kurz zuvor, im September, gelang es den Sowjets, die unbemannte Raumsonde Zond 4 einmal den Mond sicher umkreisen zu lassen.

Erster bemannter Flug zum Mond: 21. Dezember 1968

Die Saturn V bringt mit der Apollo-8-Mission erstmals Menschen zum Mond. Die Crew um Frank Borman umrundet den Mond zehnmal. William Anders knipst das schönste Foto der Raumfahrtgeschichte: den Erdaufgang über dem Mondhorizont. Die Besatzung verliest während einer Fernsehübertragung einen Auszug aus der biblischen Schöpfungsgeschichte. Hauptaufgabe der Mission ist es, geeignete Landeplätze zu erkunden. Nach dem Erfolg der Apollo 8 gibt Moskau das Wettrennen zum Mond auf.

Mondlandefähre: 3. März 1969

Die Apollo-9-Mission testet die erste Mondlandefähre. Während der neun Tage im All werden alle wichtigen Abschnitte für die Mondlandung erprobt, unter anderem die Kommandokapsel von der Mondfähre abzukoppeln bzw. wieder anzukoppeln. Weil zwei Astronauten in der Schwerelosigkeit speiübel wurde, blieben einige Manöver unausgeführt. Im Mai probt die Apollo-10-Crew 14 Kilometer über der Mondoberfläche mit der Landefähre.

N1-Raketenkatastrophe: 3. Juli 1969

Die sowjetische N1-Rakete, die mit 30 Triebwerken zum Mond fliegen soll, explodiert im Februar gut eine Minute nach einem Teststart in Baikonur. Bei einem zweiten Test desselben Modells im Juli explodiert die Rakete gleich nach dem Start und zerstört die Startbrücke. Das Raumschiff wird beide Male durch das Rettungssystem abgesprengt und kann am Fallschirm sicher landen.

1. Mondlandung: 20. Juli 1969

Nach dem Start von Apollo 11 am 16. Juli in Florida und drei Tagen Flug tauchen Buzz Aldrin, Neil Armstrong und Michael Collins in den Mondorbit ein. Collins kreist im Kommandomodul um den Mond, am 20. Juli landet Armstrong die Fähre „Eagle“ manuell. Am 21. Juli betritt er als erster Mensch den Mond. Auf der Leiter spricht Armstrong die berühmten Worte: „Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit.“