© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/19 / 12. Juli 2019

Grüße aus Den Haag
Gefährdetes Kulturerbe
Tom Zwitser

Nach Griechenland die älteste Kulturlandschaft Europas? Vielleich fällt Ihnen Italien, Frankreich oder Spanien ein. Aber nein, es ist Friesland, zwischen dem IJsselmeer und Dänemark gelegen. Manche Orte in diesem Gebiet waren bereits vor 2.500 Jahren besiedelt. Die Friesen bauten künstliche Anhöhen (Warften) in das sumpfige, oft vom Meer überflutete Kleigebiet. Dann kamen die Mönche, konstruierten Deiche, bauten Kirchen und tauften das Volk. Groningen ist das Zentrum. Hier gibt es die meisten Warften, und auf ihnen stehen imposante romanogotische Kirchen mit wunderschönen germanischen Motiven. Eine davon: die St. Walfriduskerk in Bedum. Sie fällt durch ihren schiefen Turm auf, der sich stärker neigt als der Turm von Pisa.

Viele alte Bauernhöfe sind bereits für unbewohnbar erklärt und abgerissen worden.

Wobei wir beim Thema sind. Das Kleigebiet ist nicht sehr stabil. Als dort in den sechziger Jahren Gasvorkommen entdeckt wurden, waren alle begeistert. Die Ausbeutung ging los. Ohne Gas gäbe es keinen Hafen in Rotterdam, keinen Flughafen Schiphol, und auch die Autobahnen hätten ohne die Gasausbeute nicht gebaut werden können.

Doch schon in den achtziger Jahren fing aufgrund der Gasförderung die Erde an zu beben, zumeist mit Stärke 3 auf der Richterskala.„Nicht schwer“, könnte man sagen. Aber das über Jahrzehnte? Nur mit viel Engagement ist es möglich, die Gebäude zu erhalten. Entschädigungen gibt es nicht. Die Verzögerungstaktik der Regierung ist himmelschreiendes Unrecht. Viele Bauernhöfe und Häuser aus dem 18. und 19. Jahrhundert sind bereits abgerissen worden. Die zweit­älteste Kulturlandschaft Europas verschwindet schneller als man denkt.

Nun endlich hat die niederländische Regierung reagiert. Bis 2030 soll die Förderung auslaufen. Schön, höre ich manchen sagen, aber von Wind, Erdwärme und Sonne kann man nicht leben. Statt russisches Gas zu importieren, verschuldet sich das Land mit Milliarden von Euro und zwingt Bürger parallel dazu, wahnsinnige Steuerpflichten zu erfüllen. Zurück bleibt der geschockte Groninger. 

Doch halt. Etwas Positives gibt es: Die „Stichtung Oude Groninger Kerken“ verwaltet rund 91 Groninger Kirchen. Durch Ankauf, Restaurierung und Instandhaltung pflegt sie das Kulturerbe Groningens. Man kann spenden!