© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/19 / 12. Juli 2019

Christine Lagarde als EZB-Präsidentin
Macrons Pfeife
Joachim Starbatty

Das hat Emmanuel Macron geschickt eingefädelt: Unserer Kanzlerin Angela Merkel ihren Zögling Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin aufzuschwatzen und sich damit den für Frankreich wichtigsten Posten, die Präsidentschaft der Europäischen Zentralbank (EZB), zu sichern. Von der Leyen – sollte sie vom Parlament gewählt werden – wird als gescheiterte Verteidigungsministerin nach der Pfeife der Mächtigen tanzen und dem EU-Parlament ausgeliefert sein, auch um den Sündenfall, keine Spitzenkandidatin gewesen zu sein, vergessen zu machen. Sie wird keinen Finger krümmen, wenn bei der Sanierung des Euro deutsche Interessen auf dem Spiel stehen.

Nach jeweils acht Jahren Jean-Claude Trichet und Mario Draghi folgen nun weitere acht Jahre Christine Lagarde. Damit ist die EZB fest in romanischer Hand; deutsche Stabilitätskultur – das war einmal. Lagarde wird der Satz: „Wir mußten die EU-Verträge brechen, um den Euro zu retten“ vorgeworfen. Das ist ungerecht. Sie hat nur offen ausgesprochen, was unser Finanzminister und unsere Kanzlerin verschwiegen.

Die frühere französische Finanzministerin kontrolliert als derzeitige Präsidentin des Internationalen Währungsfonds (IWF) die Zuweisung von Finanzmitteln an überschuldete und unter Liquiditätsmangel leidende Mitgliedstaaten. Sie war es, die durchsetzte, daß sich der IWF an der Rettung Griechenlands beteiligt, obwohl dies eine interne Angelegenheit der Eurozone ist. Geldpolitische Erfahrung hat sie nicht; braucht sie auch nicht. Den zukünftigen Weg der EZB hat Mario Draghi bereits vorgespurt. Sie muß ihm bloß folgen: Zinsen für Banken und Mitgliedstaaten niedrig halten oder sogar unter null senken und Staatsanleihen aufkaufen, um die Eurozone zusammenzuhalten und um die Konjunktur auf Trab zu bringen. Wenn das geldpolitische Doping an Wirkung verliert, wird die EZB aber nicht umkehren, sondern die Dosis erhöhen. Sollte es brenzlig werden, stimmt sich Madame Lagarde mit Macron ab, wie es französischer Tradition entspricht. Ihr Stab wird die Begründungen für die jeweiligen Entscheidungen liefern. Angela Merkel wird zustimmen, weil der Euro ja alternativlos ist.

Wenn Geld fast nichts kostet, wird von den hoch verschuldeten Mitgliedstaaten der Druck genommen, über notwendige Strukturreformen ihre Staatshaushalte zu sanieren. Die Haushaltsnöte werden nicht behoben, sondern aufgeschoben. Die Banken werden Kredite an notleidende Unternehmen ausreichen, um überhaupt Erträge zu erwirtschaften. Damit werden viele von ihnen selbst zu Sanierungsfällen. Die Blasen auf Aktien- und Immobilienmärkten werden weiter gefüttert, die Alterssicherung wird unterhöhlt und die Sparer werden weiterhin geschröpft.






Prof. Dr. Joachim Starbatty ist Ökonom und war Abgeordneter des EU-Parlaments