© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/19 / 12. Juli 2019

Umwelt
Es verrottet nicht
Karsten Mark

Nein, ich kann beim besten Willen nicht sagen, was aus den Lego-Steinen meiner Kindertage geworden ist. Bloß in einem Punkt bin ich sicher: Entsorgt wurden sie nicht. Vermutlich sind sie „vererbt“ worden. So wie ich meine Steinesammlung zu einem Gutteil von älteren Cousins „ererbt“ habe. Alles andere wäre purer Frevel: Wer käme schon auf die Idee, Legosteine in den Müll zu schmeißen! Außer natürlich sie sind kaputt. Aber dazu braucht es schon viel Pech oder brachiale Gewalt. Schließlich ist Lego hart im Nehmen.

Nun aber sorgt sich die dänische Firma um ihr Image. Als Großproduzent von Plastik – und damit von potentiellem Plastikmüll – will sie sich nach dem Zeitgeist richten. Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymerisat oder kurz und schmerzlos ABS-Kunststoff heißt das Material, aus dem seit 1963 die Bauklötze gegossen werden. Ein Werkstoff für „erhöhte Ansprüche an die Schlagzähigkeit“, wie der Chemiker sagt und wohl jedes Kind bestätigen kann. Sie sind durch Einschmelzen vollständig recyclebar – doch das genügt heute nicht mehr.

Was bis zum Ende des vergangenen Jahrhunderts noch ein Vorteil war, ist nun Nachteil.

Denn verrotten wird die bunte Vielfalt so schnell nicht. Bis zum Ende des vergangenen Jahrhunderts galt das noch als Vorteil. Jetzt, da die Welt im Plastikmüll zu versinken droht, ist es ein Makel. Und Lego investiert eine Milliarde dänische Kronen (knapp 134 Millionen Euro) in die Entwicklung eines nachhaltigen Materials – das allerdings genauso schlagfest sein soll, nur quasi kompostierbar.

Die ersten Bausteine, die nicht mehr aus Erdöl, sondern aus Zuckerrohr hergestellt werden, gibt es bereits. In Zukunft wollen die Dänen nur noch nachhaltige Steine produzieren, gab das Unternehmen nun bekannt. In der Öffentlichkeit kommt das gut an. Für die Umwelt dürfte indes etwas anderes weitaus wichtiger sein: Am Stecksystem soll sich auch nach 60 Jahren nichts ändern. Mit vererbten Steinen läßt es sich also immer noch prima bauen.