© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/19 / 19. Juli / 26. Juli 2019

Verfassungsschutz wird Identitäre Bewegung nachrichtendienstlich beobachten
Das ist erst der Anfang
Thorsten Hinz

Die Entscheidung des Verfassungsschutzes, die Identitäre Bewegung unter Beobachtung zu stellen, ist ein Anschlag auf die Meinungsfreiheit und die Freiheit in Deutschland schlechthin. Entsprechend stellt die mitgeteilte Begründung eine Beleidigung schon jedes durchschnittlich intelligenten Menschen dar. Das Amt kommt nicht umhin, den Identitären ihre strikte Gewaltlosigkeit zu bestätigen. Es geht ihm darum, die öffentliche Präsentation von Meinungen, Gedanken, Haltungen zu sanktionieren, die sich gegen das „historisch einzigartige Experiment“ wenden, „eine monoethnische und monokulturelle Demokratie in eine multiethnische zu verwandeln“ (Yascha Mounk). Sogar schon die Losung „Keine No-go-Areas“, also die Aufforderung an den Staat, sein Gewaltmonopol und die Unversehrtheit seiner Bürger sicherzustellen, wird zur verfassungs- und staatsfeindlichen Provokation erklärt. Offenbar ist der Verfassungsschutz von einer politischen Autoimmunerkankung angefressen und dringend therapiebedürftig.

Wie so viele manisch Kranke projiziert er seine Störung auf andere. Mit starrem Blick und ausgestrecktem Finger weist Präsident Thomas Haldenwang auf die „geistigen Brandstifter“, welche „die Gleichheit der Menschen oder gar die Menschenwürde an sich in Frage“ stellten und „ihre eigene Identität“ erhöhten, „um andere abzuwerten“. Es dürfe „keine Toleranz für Extremisten geben“. Solch bodenloses Geschwurbel hört man seit Jahren von der Amadeu-Antonio-Stiftung, geleitet von der ehemaligen Stasi-Zuträgerin Anetta Kahane. Haldenwang erhebt nun den wirren Kahane-Sound in den Rang einer Staatsdoktrin.

Der Zweck der Disziplinierungsmaßnahme reicht über die Identitären hinaus. Sie soll kritische Geister einschüchtern, Angst verbreiten, Vertrauen zersetzen und im Ergebnis soziales und politisches Handeln unmöglich machen.

Die Praxis des Verfassungsschutzes vertraut auf die Reflexe autoritärer Individuen und einer obrigkeitsstaatlich fixierten „Zivilgesellschaft“. Und siehe da, die Reflexe sind intakt. Von der taz bis zur FAZ, ob ARD oder ZDF – alle haben die Entscheidung begrüßt und den Verfassungsschutz zu weiteren Taten angespornt. Im Deutschlandfunk nannte ein Politikdozent die Identitären die „Hitlerjugend von heute“. Das ist nun wirklich nicht mehr diskutierbar. Das Expertentum zum „Rechtsextremismus“ gleicht einem Bandwurm, der sich von selbstproduzierten Ausscheidungen nährt und – in seinem Circulus vitiosus rettungslos gefangen – bei kontinuierlich abnehmender Qualität des Futters immer gefräßiger wird.

Auch deshalb ist der VS-Entscheid wohl erst ein Anfang. Wer meint, die Angriffe mit Distanzierungen, Unvereinbarkeitsbeschlüssen und Bekundungen seiner Verfassungstreue abwehren zu können, hat das Spiel noch immer nicht verstanden.