© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/19 / 19. Juli / 26. Juli 2019

Boris liebt die härtere Gangart
Großbritannien: Alles spricht dafür, daß der 55jährige Boris Johnson die Konservatien führen wird / Weiter Unsicherheiten über Brexit-Kurs
Josef Hämmerling

Die EU muß sich auf eine härtere Gangart beim Brexit einstellen. Laut dem Umfrageinstitut YouGov wollen rund 78 Prozent der stimmberechtigten Mitglieder der Konservativen Partei Großbritanniens Boris Johnson zum neuen Vorsitzenden wählen. Sein Kontrahent, der britische Außenminister Jeremy Hunt, liegt abgeschlagen zurück. Selbst seine Hoffnung, beim Fernsehduell am 9. Juli noch punkten zu können, erfüllte sich nicht: Johnson ging auch hier Telefonumfragen zufolge als klarer Sieger hervor. Da der Vorsitzende der Regierungspartei traditionell auch Premierminister wird, tritt der 55jährige damit am 24. Juli voraussichtlich die Nachfolge von Theresa May an, die für diesen Tag ihren Rücktritt erklärt hat. Das Ergebnis des Mitgliedervotums wird am 23. Juli bekanntgegeben.

Als wichtigstes Ziel erklärte Johnson, den Brexit am 31. Oktober durchzuziehen, entweder mit einer Einigung mit den anderen EU-Staaten oder auch ohne, was den sogenannten harten Brexit zur Folge hätte. Hierbei stößt er aber selbst bei den Tories auf Widerspruch. Diese, wie auch mehrere Unternehmensverbände, warnen vor einem ungeordneten EU-Austritt: Das würde der britischen Wirtschaft sehr schaden. 

Da die Regierungskoalition aus Konservativen und der nordirischen Democratic Unionist Party mit 322 Abgeordneten lediglich eine Mehrheit von drei Parlamentariern hat, die anderen Parteien im Unterhaus aber bereits ihre Ablehnung zu einem harten Brexit erklärten, könnte dieser noch verhindert werden.

Johnson will Gegnern keine Munition liefern

Bereits in der Vergangenheit gab es entsprechende Parlamentsbeschlüsse, an die ein neuer Premier aber nicht gebunden wäre. Deswegen kündigten Konservative einen neuen Vorstoß in diese Richtung an. Theoretisch könnte Johnson als neuer Premierminister sogar die Legislaturperiode des Parlaments beenden und dieses nicht unmittelbar wieder einberufen. Damit wären alle Parlamentsbeschlüsse obsolet. Johnson weigerte sich in der Fernsehdebatte zu erklären, ob er vom Amt des Premierministers zurücktreten würde, sollte er sein Versprechen des EU-Austritts zum 31. Oktober nicht einhalten können. Er werde seinen Gegnern durch klare Aussagen keine Waffe in die Hand geben, „damit sie meinen Rücktritt mit der Weigerung zu einem Abkommen befördern können“. Vielmehr hatte Johnson in den vergangenen Monaten immer wieder betont, konkrete Pläne zu haben, wie das Land auch einen harten Brexit unbeschadet überstehen werde.

Johnson hat eine bewegte politische Vergangenheit. Nachdem der gebürtige New Yorker von 1999 bis Ende 2005 Herausgeber der konservativen Zeitschrift The Spectator war, folgte von Mai 2008 bis Mai 2016 seine Amtszeit als Bürgermeister von London und danach für zwei Jahre als britischer Außenminister. Als Bürgermeister brachte er grüne Projekte voran, so etwa den deutlichen Ausbau der Radwege, ein Fahrrad-Leihsystem und eine Verlängerung der Fahrzeiten der Londoner U-Bahnen bis weit in die Nacht. 

Noch Anfang 2016 verweigerte Johnson, klar für oder gegen einen Brexit Position zu beziehen. Erst Ende Februar sprach er sich für einen Austritt aus der EU aus, die versuche, einen „europäischen Superstaat“ zu errichten, in dem Großbritannien in seiner Eigenständigkeit noch weiter eingeschränkt sei.