© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/19 / 19. Juli / 26. Juli 2019

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Wirklich beunruhigend ist der Unwille oder die Unfähigkeit, zwischen der Gleichheit aller Menschen und der Gleichheit aller Menschen vor dem Recht zu unterscheiden.

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Germanen I: Wenn es um die Kontinuität der germanischen Geschichte geht, bleibt man wegen des Fehlens schriftlicher Quellen oft auf Spekulationen angewiesen. Aber neben ein paar kaum bestreitbaren archäologischen Fakten ist doch auch die „lange Dauer“ bestimmter religiöser Vorstellungen bemerkenswert. So finden sich schon aus der Bronzezeit Darstellungen eines „Axtgottes“, der an Thor/Donar erinnert, und eines „Speergottes“, der an Odin/Wotan erinnert. Was letzteren betrifft, könnte man auch auf die mysteriösen Köpfe des „Einäugigen Gottes“ verweisen, die man in Nordjütland geborgen und auf das 1. Jahrhundert datiert hat.

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Idealismus: Das Kloster von Børglum war einmal das Machtzentrum Nordjütlands. Davon ist nur ein ansehnlicher mittelalterlicher Baukomplex geblieben, zu dem auch die alte Bischofskirche gehört. Hinter deren Chor befindet sich das Grab von Christian Michael Rottbøll. Außer dem dänischen Gedenkstein steht dort auch ein britischer, errichtet zum Andenken an Rottbøll als Captain der Special Forces, der mit 25 Jahren am 26. September 1942 starb. Das Schicksal hinter dieser Inschrift bildet sicher nur eine Fußnote der Geschichte, ist aber menschlich bemerkenswert: Rottbøll hat wie viele junge Dänen des besseren Bürgertums eine Zeit in Deutschland verbracht. Was er als Wiederaufstieg des Reiches unter Hitler erlebte, machte durchaus Eindruck auf ihn, weckte wegen der aggressiven Tendenz aber auch Mißtrauen. Darin sah er sich bei Kriegsbeginn 1939 bestätigt. Auf Umwegen gelangte er in seine neutrale Heimat zurück. Dort hielt es ihn aber nicht, als die Sowjetunion unmittelbar nach dem Ende der Kämpfe in Polen Finnland angriff. Rottbøll gehörte zu jenen dänischen, schwedischen und norwegischen Freiwilligen, die aus einem Empfinden „nordischer Solidarität“ den Finnen beistehen wollten. Niedergeschlagen über die Vergeblichkeit dieses Einsatzes, kehrte Rottbøll nach Dänemark zurück, um kurz darauf dessen Besetzung durch die Wehrmacht zu erleben. Nach der Kapitulation der dänischen Armee machte er unter seinen Freunden und Bekannten Werbung für den aktiven Widerstand, merkte aber rasch, daß die meisten der Aufforderung der Regierung in Kopenhagen nachkommen und Ruhe halten wollten. Rottbøll ging daraufhin illegal nach Großbritannien, wurde von den Special Forces rekrutiert und nach Jütland zurückgeschickt, um den Untergrundkampf zu organisieren. Dazu kam es aber nicht. Gestapo und dänische Polizei stellten ihn, und Rottbøll starb im Kugelhagel bei der Festnahme. Zum Verhängnis war ihm der Verrat eines Kameraden geworden, der mit ihm in Finnland gekämpft hatte.

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Wenn es für ein echtes politisches Problem eine „europäische Lösung“ geben soll, wird es gar keine Lösung geben.

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Das Freibad als Kampfplatz ist kein neues Phänomen. In einer fernen Vergangenheit, als es noch so Bedenkliches wie „Fahrtenschwimmer-“ und „Totenkopfschwimmerabzeichen“ gab, die Mutter auf die Badehose nähte, wußte man auch schon, wem man auf der Liegewiese besser aus dem Weg ging, wo Sicherheitsabstand vom Beckenrand zu halten war, wer dazu neigte, Jüngere und Schwächere zu tauchen oder einem ins Kreuz zu springen. Allerdings waren die Bademeister eine Ordnungsmacht, im Regelfall bullige Kerle, die handgreiflich wurden, wenn es nötig war. Die Situation mit den Präpotenten, die sich heute rudelweise zusammentun und in der Anstalt die Macht übernehmen, ist nur insofern neu, als es keine Bademeister im älteren Sinn mehr gibt. Da treffen jetzt ganz urtümliche Männlichkeitsideale und eine softe, konfliktscheue Haltung aufeinander. Und die führt zu denselben Erscheinungen, die wir längst auf Schulhöfen, in Jugendzentren, in Parkanlagen und einigen Stadtteilen kennen, in die sich selbst die Polizei nur mit dem größeren Aufgebot traut, und die zeigt uns, was uns gesamtgesellschaftlich bevorsteht.

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Germanen II: Die Ausstellung „Saxones“ des Niedersächsischen Landesmuseums bietet kaum Überraschungen. Bemerkenswert sind nur der dekonstruierende Furor und die politisch-korrekte Impertinenz der Kommentare. Da gibt es keine agierenden germanischen Stämme, sondern nur „Kriegerverbände“ oder gleich – käufliche – „Kriegerbanden“, und aus dem Umstand, daß sich der Begriff „Sachsen“ weder bei Tacitus noch bei Cäsar findet, sondern eigentlich erst in der Polemik der Franken gegen ihre heidnischen Widersacher, wird flugs gefolgert, daß von so etwas wie Kontinuität keine Rede sein könne: „Identitäten sind soziale Konstrukte, im 1. Jahrtausend genauso wie heute.“ Na dann.


Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 9. August in der JF-Ausgabe 33/19.