© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/19 / 02. August 2019

AfD Sachsen bekommt mit Einspruch vor Verfassungsgerichtshof recht
Eine Klatsche für den Parteienklüngel
Jörg Kürschner

Anfang 2017 dämmerte den etablierten Parteien, daß der Einzug der AfD in den Bundestag nicht mehr zu verhindern war. So konzentrierten sie sich auf juristische Finessen, um der unbequemen Partei das parlamentarische Leben so schwer wie möglich zu machen. Vor der Wahl wurde im Bundestag die Regelung über den Alterspräsidenten im Schnellverfahren geändert, um dem absehbar erfolgreichen AfD-Kandidaten Wilhelm von Gottberg die kurze, einmalige Eröffnungsrede vom Präsidentenstuhl zu verwehren. Ein parlamentarisches Foulspiel. Dann wurde das Recht der AfD, einen Bundestagsvizepräsidenten zu stellen, ausgehebelt. Drei AfD-Abgeordnete scheiterten bisher deutlich in jeweils drei Wahlgängen. Der AfD werden also grundlegende Rechte vorenthalten, die allerdings nicht einklagbar sind.

Was in Berlin geklappt hat, sollte auch in Dresden möglich sein, dachte sich der sächsische Landeswahlausschuß. Mehrheitlich besetzt von den politischen Gegnern der AfD, strich das Gremium die Landesliste der Partei von 61 auf 18 Kandidaten zusammen. Wegen angeblicher Formfehler bei der Nominierung. Rechtsmittel gegen die Entscheidung seien vor der Landtagswahl nicht möglich, war sich Landeswahlleiterin Carolin Schreck sicher. Eine folgenschwere Fehleinschätzung, war doch das Votum des Gremiums justitiabel.

Denn der von der AfD angerufene sächsische Verfassungs­gerichtshof in Leipzig ließ dem überforderten Gremium dessen politische Willkürentscheidung nicht durchgehen. Diese sei „nach vorläufiger Bewertung mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig“ und begründe einen „voraussichtlichen Wahlfehler von außerordentlichem Gewicht, der erst nach der Wahl beseitigt werden könnte“. Dieser Wahlfehler könne „sogar dazu führen, daß Neuwahlen notwendig werden“. Wegen der Schwere der zu erwartenden Rechtsverletzung, der fehlenden Chancengleichheit der AfD, haben die Verfassungsrichter in letzter Minute die Notbremse gezogen: vor der Wahl. Das ist bemerkenswert, denn dem Gesetzestext zufolge ist eine Überprüfung der Entscheidung tatsächlich erst nach der Wahl möglich. Darauf hatte sich die Juristin Schreck verlassen, ohne zumindest ein Rechtsgutachten aufgrund der politischen Brisanz einzuholen. Der CDU-Frau, kürzlich vom CDU-Innenminister zur Landeswahlleiterin berufen, werfen auch die Freien Wähler Parteilichkeit vor.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gilt aber, daß „extremes Unrecht kein Recht ist“ (Radbruchsche Formel). Mit anderen Worten, die Verfassungsrichter wollten die Verkürzung des Rechtswegs der AfD, eine Beschwerde erst nach der Wahl, nicht legitimieren, um Schaden von der parlamentarischen Demokratie abzuwenden. Lebt doch der Rechtsstaat vom Vertrauen seiner Bürger, das in Sachsen weitgehend aufgebraucht ist.