© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/19 / 02. August 2019

Vorläufig zugelassen
Gerichtsurteil: Sachsen-AfD darf zur Wahl mit 30 statt 18 Listenkandidaten antreten
Björn Harms

Die Erleichterung war Jörg Urban am vergangenen Donnerstag deutlich anzumerken: „Ich freue mich sehr über dieses Urteil“, verkündete der sächsische AfD-Landeschef vor den versammelten Journalisten. „Denn jetzt ist sichergestellt, daß wir die Stimmen der sächsischen Wähler in der Landtagswahl mit Mandaten untersetzen können.“ 

Soeben hatte der Verfassungsgerichtshof in Leipzig einen Teil der AfD-Landesliste für die sächsische Landtagswahl vorläufig doch noch zugelassen. Die Partei darf nun mit 30 statt mit 18 Listenkandidaten antreten. Nach einer ersten Bewertung des Gerichts handelte der Landeswahlausschuß, der die ursprüngliche AfD-Landesliste von 61 Bewerbern auf 18 zusammengestrichen hatte (JF 30-31/19), „mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig“.

Daß sich der Verfassungsgerichtshof noch vor dem 1. September mit der Angelegenheit befaßte, ist durchaus bemerkenswert. Denn eigentlich sieht das sächsische Wahlprüfungsgesetz rechtliche Schritte nur nach einer Wahl vor. Die Leipziger Richter sprachen von einem „besonderen Ausnahmefall“, da aufgrund eines möglichen „Wahlfehlers von außerordentlichem Gewicht“ Neuwahlen gedroht hätten. 

Das Gericht bezog sich in seiner Begründung insbesondere auf den „vom Landeswahlausschuß angenommenen Verstoß gegen einen geltenden Grundsatz der Einheitlichkeit der Aufstellungsversammlung“ – womöglich eine juristische Fehlentscheidung. Die Wahl zum 7. Sächsischen Landtag wäre dann auf „der Grundlage eines Beschlusses durchgeführt worden, der die von der Verfassung garantierte Chancengleichheit der AfD in diesem Umfang nicht hinreichend berücksichtigt hätte“, hieß es. 

Für den vom Wahlausschuß beanstandeten Wechsel des Wahlverfahrens könne hingegen kein derartiger Rechtsfehler festgestellt werden. Deshalb sei die Verfassungsbeschwerde nur in bezug auf die Listenplätze 19 bis 30 zulässig, die Listenplätze 31 bis 61 bleiben weiter außen vor. Die ersten 30 Plätze der Liste waren von der AfD in einem Einzelwahlverfahren bestimmt worden. Im Laufe des Parteitags beschloß die AfD dann, die restlichen Kandidaten aus Zeitgründen im Block zu wählen. 

Die nun gefällte Entscheidung des Gerichtshofs deutet darauf hin, daß Parteien die Wahlverfahren von Beginn an festlegen müssen und an dieser Festlegung im Laufe eines Parteitags auch nichts mehr ändern können. Ein Wechsel des Verfahrens wäre also zulässig – wenn dies von Anfang an klar kommuniziert wird. 

Vorüber ist der Rechtsstreit damit aber noch nicht. Das Gericht gab zwei Anträgen auf einstweilige Anordnungen statt, allerdings nicht in dem von der AfD gewünschten Umfang. „Wir sind nicht vollständig durchgedrungen mit unserer Rechtsauffassung“, stellte AfD-Chef Urban fest. „Wir haben nur 30 Plätze anerkannt bekommen und nicht 61.“ Das Urteil sei ein Teilerfolg, aber man werde die Sache trotzdem „juristisch und politisch weiterverfolgen“.

Endgültiges Gerichtsurteil wird am 16. August gefällt

Auch der Verfassungsgerichtshof in Leipzig will noch vor der Wahl Klarheit schaffen. Im eigentlichen Verfahren, in dem es um die Frage geht, ob die Kürzung der Liste generell rechtens war, soll am 16. August eine Entscheidung verkündet werden. Urban jedenfalls sieht „diesem Tag optimistisch entgegen, da in der mündlichen Verhandlung die Wahlleiterin ins Schwimmen geriet, als sie darlegen sollte, wer denn nun durch den Wechsel des Wahlverfahrens benachteiligt wurde“. 

Gemeint war die Vorsitzende des Landeswahlausschusses Carolin Schreck, für die das vorläufige Urteil eine krachende Niederlage ist. Erstens, weil die drastische Kürzung der Liste auf nur 18 Kandidaten kassiert wurde. Und zweitens, weil das Gremium die Änderung des Wahlverfahrens ab Platz 30 in seiner Entscheidung selbst moniert, daraus aber nicht den naheliegenden Schluß gezogen hatte, die Bewerber bis Platz 30 anzuerkennen. Das erledigten nun die Leipziger Richter. 

Ob Schreck aus dem vorläufigen Urteil Konsequenzen ziehen wird und zurücktritt, ist derzeit noch offen. Prozeßbeobachter sprachen von einem zerfahrenen Eindruck, den die 57jährige vor Gericht hinterlassen habe. Mehrere Nachfragen der AfD-Delegation seien nur unzureichend beantwortet worden. Unmittelbar nach der Verhandlung verließ Schreck kommentarlos das Gerichtsgebäude.