© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/19 / 02. August 2019

Das Bild ist schief
Kampagne: Gezielte Indiskretionen sollen die Hohenzollern in Verruf bringen
Peter Möller

Das „Durchstechen“, also die Veröffentlichung ausgewählter Informationen, gehört im politischen Berlin zum täglichen Geschäft von Politikern und Journalisten. Wer die Öffentlichkeit in seinem Sinne beeinflussen und sich in einer politischen Auseinandersetzung einen Vorteil verschaffen will, versorgt die Medien mit Informationen, die seine Sicht der Dinge untermauern.

Wie wirkungsvoll dieses Verfahren ist, mußte nun das Haus Hohenzollern erfahren, das eigentlich seit gut hundert Jahren in der Berliner Politik keine Rolle mehr spielt. Doch da das ehemalige deutsche und preußische Herrscherhaus derzeit unter anderem mit dem Bund und den Ländern Berlin und Brandenburg über die Rückgabe von Kunstwerken und Immobilien beziehungsweise über entsprechende Entschädigungen verhandelt, geriet es nun unversehens in die Schlagzeilen. 

Denn Mitte Juli erschienen im Spiegel und im Berliner Tagesspiegel Berichte über die Verhandlungen, die bis dahin zwar nicht im geheimen, aber ohne großes öffentliches Aufsehen vonstatten gegangen waren. Vieles deutet darauf hin, daß die Informationen über die Gespräche, die vor allem die Hohenzollern in einem kritischen Licht erscheinen lassen, aus dem Haus von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) stammen.

„Nicht an der Frage des Wohnsitzes scheitern“

Seitdem steht das von Prinz Georg Friedrich geführte ehemalige Herrscherhaus in vielen Medien als raffgierige Adelssippe da, die sich auf Kosten der Öffentlichkeit und der staatlichen Museen in Berlin und Brandenburg bereichern und Museen und Schlösser plündern will. Ein Kommentator des öffentlich-rechtlichen RBB beklagte die seiner Ansicht nach „maßlose, geradezu impertinente Forderung nach Entschädigung oder Rückgabe“ und schlug im Gegenzug vor, „alle Prinzen und Prinzessinnen aus den Berliner Straßennamen zu streichen“.

Dabei ist das Thema der Entschädigung der Hohenzollern und anderer ehemals regierender Häuser in Deutschland so alt wie das Ende der Monarchie. Nach der Revolution von 1918 stellte sich sehr bald die Frage, was mit dem Besitz der abgedankten Monarchen geschehen soll, und vor allem, was überhaupt den Familien gehört und was den Staaten, die von den Familien jahrhundertelang regiert worden waren. Erst 1926 kam es mit der Regierung Preußens zu einer Regelung, die jedoch durch die Folgen des Zweiten Weltkrieges wieder über den Haufen geworfen wurde. Denn 1945 wurden in der Sowjetischen Besatzungszone alle Besitzungen der Hohenzollern mit der Begründung enteignet, das Herrscherhaus habe mit den Nationalsozialisten zusammengearbeitet. Seit dem Ende der DDR ringen die Hohenzollern nun um Entschädigungen für die Enteignungen sowie darum, unklare Eigentumsverhältnisse zu klären, die trotz der Entschädigungsregelung von 1926 immer noch bestehen.

Bei den aktuellen Verhandlungen geht es neben 1,2 Millionen Euro um mehrere zehntausend Objekte wie Möbel, Textilien und Gemälde aus dem Bestand der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und des Deutschen Historischen Museums in Berlin. Zudem um mehrere Immobilien, darunter das Schloß Cecilienhof in Potsdam, das den Hohenzollern 1926 als Privateigentum zugesprochen worden war. 

Als besonders dreist wurde dabei von Politikern und Medien der gezielt durchgestochene Vorschlag der Hohenzollern nach einem Wohnrecht im Schloß Cecilienhof dargestellt. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sprach in diesem Zusammenhang gar von einem „Volksschloß“. Am Wochenende versuchte Prinz Georg Friedrich dem drohenden Ansehensverlust für seine Familie durch die verzerrte Berichterstattung seine Sicht der Dinge entgegenzustellen. In einem Interview mit der Welt am Sonntag beteuerte er, daß sich die Hohenzollern immer an die schriftlich und mündlich vereinbarte Vertraulichkeit gehalten hätten. „Ich bedaure übrigens in erster Linie nicht die Weitergabe von Dokumenten, sondern die selektive Weitergabe. Tatsächlich hat das der Öffentlichkeit ein sehr eingeschränktes und schiefes Bild vermittelt, das dann zu teils heftiger Kritik geführt hat. Auf Basis der Einseitigkeit einiger Medien kann ich das nachvollziehen“, sagte er. 

Unabhängig von der Vermögensauseinandersetzung aus dem Jahre 1926 nehme der Vertragsentwurf seiner Familie nur das auf, was ihr beispielsweise von der brandenburgischen Landesregierung als auch von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten schon seit den neunziger Jahren wiederholt angeboten worden sei. „Kurioserweise gab es anscheinend selbst zu DDR-Zeiten schon Überlegungen, meiner Familie ein Wohnrecht im Cecilienhof in Potsdam einzuräumen. Mir ist aber wichtig, daß die Gespräche nicht an der Frage des Wohnsitzes scheitern“, verdeutlichte Prinz Georg Friedrich. „Es ist Teil meiner Aufgabe als Familienchef, diese Kritik auszuhalten und auf mich zu nehmen und zum gegebenen Zeitpunkt das ein oder andere zu entkräften.“

Ungeachtet der Berichterstattung in den Medien und der dadurch hervorgerufenen öffentlichen Diskussion über die Ansprüche der Hohenzollern, trafen sich die Parteien in der vergangenen Woche zu einer neuen Verhandlungsrunde in Berlin, bei der jedoch kein Durchbruch erzielt wurde. Prinz Georg Friedrich gab sich im Anschluß dennoch optimistisch: „Ich bin sehr zuversichtlich, daß wir rasch eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung finden.“ Im Herbst soll weiterverhandelt werden.

Unterdessen kündigte das brandenburgische Finanzministerium nach dem Treffen an, im Streit um die Entschädigungsforderungen für die Enteignungen von 1945 ein seit 2014 ruhendes Gerichtsverfahren fortzusetzen, in dem es darum geht, ob den Hohenzollern eine Entschädigung „aufgrund der Enteignungen auf besatzungshoheitlicher und besatzungsrechtlicher Grundlage“ rechtmäßig zusteht oder nicht. Sollte das Gericht zu dem Schluß kommen, daß die Hohenzollern dem „nationalsozialistischen System erheblich Vorschub“ geleistet haben, hätte die Familie keinen Anspruch auf Entschädigung. Beide Seiten haben hierzu Gutachten von Historikern vorgelegt, die indes zu gegensätzlichen Ergebnissen kommen. 

Mit der Wiederaufnahme des Gerichtsverfahrens wächst der Druck auf beide Seiten, sich zu einigen. Denn bei allem Theaterdonner sind sich die Hohenzollern und die Vertreter der öffentliche Hand darin einig, daß nicht nur bei dieser Streitfrage eine außergerichtliche Einigung für alle Seiten das beste wäre.





Entschädigung

Wer Vermögen verlor, weil ihn der Staat enteignete, hat Anspruch auf eine Entschädigung und kann dies gerichtlich überprüfen lassen. Das ist kein „Raffen“, sondern der allen Bürgern – auch denen aus einst regierenden Familien – garantierte Rechtsweg. Das Haus Wettin zum Beispiel einigte sich nach 20 Jahren und in vier Anläufen gütlich mit dem Freistaat Sachsen. Im Sommer 2014 unterzeichneten beide Seiten einen Vergleichsvertrag. Das sächsische Königsgeschlecht erhielt etwa 4,8 Millionen Euro, 1.312 Buch-Dubletten sowie Kunstgegenstände im Wert von rund 1,15 Millionen Euro.