© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/19 / 02. August 2019

Schottland zeigt Boris Johnson die rote Karte
Großbritannien: Beim Thema Brexit tritt der neue Tory-Chef auf die Tube / Nigel Farage setzt auf vorgezogene Neuwahlen
Josef Hämmerling

Nach dem klaren Sieg bei den Mitgliederwahlen der Konservativen Partei, der gleichzeitig auch ein Votum für den EU-Ausstieg war, hat der neue britische Premierminister Boris Johnson nun den Kampf zur Umsetzung des Brexits aufgenommen. Seine erste Amtshandlung bestand in der Ablehnung der sogenannten Backstop-Lösung. 

Mit dem Backstop sollte garantiert werden, daß es zu keiner neuerlichen Grenze mit Kontrollen zwischen Nord-irland und der Republik Irland kommt. Bis zur Klärung dieser Frage sollte Großbritannien in der EU-Zollunion bleiben. Dies wird aber von der Mehrheit der Tory-Abgeordneten wie auch von der nordirischen Democratic Unionist Party abgelehnt, die mit ihren zehn Abgeordneten im britischen Unterhaus der Minderheitsregierung der Konservativen Partei zur Mehrheit verhilft. Sie drohten bereits, bei einem Beibehalt des Backstop jeglichen Austrittsplan abzulehnen. Doch   Brüssel erklärte allerdings, Nachverhandlungen mit Großbritannien kämen nicht in Frage. Man habe das Kompromißpaket in monatelangen Verhandlungen mit der früheren britischen Premierministerin Theresa May geschnürt, ein weiteres Entgegenkommen sei unmöglich. Wenn das britische Unterhaus es nicht annehme, komme es eben zu einem harten Brexit. 

Johnsons erste Amtsreise führte ihn nach Schottland. Die schottische, von der konservativen Parteiführerin Nicola Sturgeon geführte Regierung lehnt einen Brexit ab und will weiterhin in der EU bleiben. Sollte Johnson auch weiterhin auf einen EU-Austritt bestehen, werde ihre Regierung ein zweites Unabhängigkeitsreferendum durchführen, unterstrich Sturgeon. 

Edinburgh droht mit neuem Unabhängigkeitsreferendum

Beim ersten Referendum im September 2014 wurde der Austritt Schottlands aus dem Vereinigten Königreich noch mit 55,3 zu 44,7 Prozent abgelehnt. Da bei der Brexit-Abstimmung aber 62 Prozent der Schotten sich für einen Verbleib in der EU ausgesprochen hatten, neueste Umfragen auch weiterhin eine Mehrheit für einen Verbleib in der EU zeigen, gab sich Sturgeon am Wochenende zuversichtlich, daß ein Unabhängigkeitsreferendum diesmal erfolgreich sein werde. Nach den Gesprächen mit Johnson erklärte sie vor den Medien: „Dies ist eine Regierung, die eine No-Deal-Strategie verfolgt, so sehr sie das auch bestreiten mag.“ Ferner bezeichnete die schottische Premierministerin die Johnson-Regierung als „gefährlich“.

Johnson wies diese Vorwürfe zurück. So sehr er einen neuen Vertrag zu einem gütlichen Austritt auch wolle, Großbritannien werde die EU am 31. Oktober unter allen Umständen verlassen – so oder so. Der neue Außenminister, Dominic Raab, verschärfte den Ton gegenüber der Europäischen Union und warf dieser vor, sich mit ihrer Weigerung, den Austrittsvertrag nachzuverhandeln, „halsstarrig“ zu verhalten. Johnson sieht sich aber auch Gegenwind im eigenen Lager ausgesetzt. Denn mehrere Tory-Abgeordnete haben bereits erklärt, im Unterhaus gegen einen No-Deal-Brexit stimmen zu wollen, so daß Johnson wie zuvor May scheitern würde. Zudem bereitet Oppositionsführer Jeremy Corbyn von der Labour-Partei Berichten britischer Medien zufolge einen Mißtrauensantrag gegen Johnson vor, der auch von dem früheren Finanzminister Philipp Hammond, der nach der Wahl Johnsons seinen Rücktritt erklärte, unterstützt werde, wie er dem Guardian sagte. Hammond spricht sich dafür aus, die Austrittsfrist über den 31. Oktober hinaus zu verlängern und neu zu verhandeln. Der Vorsitzende der Brexit-Partei, Nigel Farage, betonte dagegen gegenüber Sky News, Johnson werde nur dann eine Mehrheit für einen No-Deal-Brexit bekommen, wenn er „sehr mutig“ sei und bei einer „vorgezogenen Parlamentswahl die Mehrheit des Landes hinter sich“ scharen könne. Ansonsten sehe er nicht, wie er diesen durchsetzen wolle: „Er hat fast keine parlamentarische Mehrheit, und er führt eine Partei, die bitter gespalten ist.“