© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/19 / 02. August 2019

Dorn im Auge
Christian Dorn

In Berlin, europäische Insel der mit queerer Heilsgewißheit ausgestatteten LGBTI-Gemeinschaft, gilt: Vom Freitag lernen heißt siegen lernen. So hält auf dem CSD Berlin, der erstmals über eine Million halbnackter Menschen anzieht, am Straßenrand ein Mann ein Schild über seinem Kopf mit dem Spruch „Pridedays for Future!“ Da die diesjährige Losung, die verpflichtend auf jedem Umzugswagen prangt, unter dem Motto „Stonewall 50 – Every riot starts with your voice“ steht, wäre eigentlich ein gemeinsamer Schlachtruf geboten, etwa: „Wir sind hier, wir sind laut, / Weil ihr noch auf Geschlechter baut.“ So hält ein langhaariger Mann ein großes Pappschild mit dem Satz: „Transfrauen können Kinder kriegen.“ Müßte es nicht heißen: zeugen? Doch wer hier nach Logik sucht, hat bereits verloren. Nur zwei Umzugswagen nehmen sich die Freiheit, auch eine eigene Losung zu präsentieren: „Die Partei“ (oder doch die „Piraten“?) den Aufruf „Spende auch Du! Hetenblut dank Homoglobin D 175“ sowie die BVG mit der trefflichen Werbezeile: „Jeden Tag Verkehr.“ Andere haben die Lust oder Energie bereits verloren, so eine junge Frau mit dem Schild „Bottoms Tops / all hate Cops“, das kopfüber mitgeschleift wird. Nun denn: Einer trage des andern Last. Ein junges Paar warnt auf seinem Pappschild: „Camouflage paßt in keinen Regenbogen / Bundeswehr abschaffen.“ Diese „Queerulanten“ müßten Oberstleutnant Anastasia Biefang auf den Plan rufen, die erste Transgenderkommandeurin der Bundeswehr, die das Informationstechnikbataillon 381 in Storkow führt und deren geschlechtsanpassende Operation (inklusive „Schwanz-ab-Party“) derzeit in einer WDR-Dokumentation zu sehen ist. 


Eine Woche zuvor hatte Biefang noch auf dem Motzstraßenfest, Europas größtem lesbisch-schwulen Stadtfest, den Arbeitskreis Homosexueller Angehöriger der Bundeswehr präsentiert. Gewehr bei Fuß standen hier nur die Kondomkommandos, die ihre Präservative mit den denkwürdigsten Verpackungsparolen verteilten, die – dereinst auf einer Leinwand reproduziert – unter dem ironischen Titel „Deutsche Schutzgebiete“ – auszustellen wären: So das Motto „Menschenrechte brauchen Schutz“ (Amnesty International), „Demokratie lieben“ (Bundesfamilienministerium), „einfach. sicher. unterwegs“ (ADAC) sowie die anspielungsreichen phallischen Phrasen „100 Prozent Gleichstellung“ (SPD-Bundestagsfraktion), „Für’n Arsch“ (Deutsche Aids-Hilfe), „100 Prozent harte Fakten“ (Völklinger Kreis) oder „Hier ist Dein Latte safe“ (FDP).