© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG  www.jungefreiheit.de 33/19 / 09. August 2019

Grüße aus Wilna
Das Land umkrempeln
Paul Leonhardt

Schon einmal war Gitanas Nauseda seiner Zeit um Jahre voraus. Als der damalige wirtschaftspolitische Präsidentenberater vom Nein Brüssels zur für 2007 geplanten Euro-Einführung in Litauen erfuhr, prognostizierte er den Beitritt seines Landes zur Währungsunion für spätestens 2009. Tatsächlich löste der Euro den Litas erst 2015 ab. 

Aktuell haben die Visionen des 55jährigen eine viel größere Dimension. Er will  das Land völlig umkrempeln, die Steuern erhöhen, die Korruption bekämpfen. Vor allem ein Versprechen aber hatte die 2,5 Millionen Wahlberechtigten so mobilisiert, daß sie den Parteilosen, der bisher kein politisches Amt innehatte, Mitte Juli mit mehr als siebzig Prozent zum Präsidenten kürten: Litauen soll ein Sozialstaat werden.

Vier Tage nach Amtsantritt führte ihn sein erster Staatsbesuch nach Polen.

Die Litauer, die die EU als Quelle von Wohlstand und Sicherheit betrachten, haben genaue Vorstellungen, wie dieser „Wohlfahrtsstaat“, der die Kluft zwischen Arm und Reich beenden soll, auszusehen hat. Explizit wird Deutschland genannt, nicht etwa Norwegen oder Schweden. Das sei auch für ihn ein „bißchen unerwartet“ gekommen, sagt Nauseda: „Wahrscheinlich haben viele Litauer, die nach Deutschland emigriert sind, Positives berichtet.“ 

Nauseda, 1964 im ehemals deutschen Memel (heute Klaipeda) geboren, kennt Deutschland gut. Nach seinem Wirtschaftsstudium in Wilna studierte er von 1990 bis 1992 in Mannheim. Ein Jahr später startete seine Karriere im litauischen Bankensystem, wo er es bis zum Chefökonomen der größten Privatbank Litauens (SEB bankas) brachte.

Laut Verfassung obliegen dem Staatsoberhaupt vorwiegend repräsentative Aufgaben. Weitergehende Kompetenzen werden ihm nur in der Außen- und Verteidigungspolitik eingeräumt. Allerdings hat Nausedas Vorgängerin, Dalia Grybauskaite, diese Befugnisse in der Praxis ausgeweitet, um – letztlich vergeblich – gegen Korruption und Vetternwirtschaft zu kämpfen. Um seine Pläne umzusetzen, benötigt er aber zwingend Parlament und Regierung.

Außenpolitisch setzt Nauseda die Politik seiner Vorgängerin fort. Vier Tage nach Amtsantritt führte ihn sein erster Staatsbesuch nach Polen. Eine noch engere Zusammenarbeit soll es mit der Ukraine und mit Lettland geben. Auch innenpolitisch demonstrierte Nauseda bereits Macht, als er einem Gesetzesentwurf über den Verkauf von Staatseigentum die Unterschrift verweigerte.