© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG  www.jungefreiheit.de 33/19 / 09. August 2019

Der Atombunker kommt ins Klima-Zeitalter
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe rüstet sich für Extremwetter-Ereignisse
Dieter Menke

Ältere Westdeutsche dürften das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) noch mit „Atombunker“ assoziieren. Tatsächlich führt die Gründungsgeschichte der Behörde zurück in die Adenauer-Ära, als man die zu befürchtende Katastrophe mit dem auf deutschem Boden zwischen den USA und der UdSSR ausgetragenden Atomkrieg gleichsetzte. Sechzig Jahre später hat sich das Katastrophendesign des Amtes grundlegend geändert. Weg von der Bedrohung durch Kriege oder „größte anzunehmende Unfälle“ (GAU) in Kernkraftwerken, hin zur „Anpassung des Bevölkerungsschutzes an die Folgen des Klimaschutzes“.

So formuliert es Wolfram Geier, im Amt Leiter der Abteilung „Risikomanagement, Internationale Angelegenheiten“. Er stimmt die steuerzahlende Leserschaft seines Hausorgans mit der Warnung „Es wird künftig richtig ungemütlich werden!“ auf kommende Schrecknisse ein, um ihr zugleich zu signalisieren, daß er und seine Kollegen ihr Gehalt nicht für den Büroschlaf einstreichen (Bevölkerungsschutz, 2/2019), sondern bei zunehmender Ungemütlichkeit vielleicht sogar Überstunden leisten müssen.

Wie die lautesten, „Panik“ einfordernden Klima-Alarmisten rechnet Geier jedenfalls mit dem Allerschlimmsten. Die „Hitzewellen“ der Sommerwochen vorigen und dieses Jahres, die dadurch verursachten „Transportprobleme auf unseren Wasserstraßen“ und die Waldbrände wie zuletzt im Juni im mecklenburgischen Lübtheen seien verglichen mit dem, „was uns droht, nur ein bescheidenes Menetekel“. Und das, wo doch Feuerwehr und Technisches Hilfswerk, vor allem aufgrund sich häufender Stark­regeneinsätze in ländlichen Regionen, bereits heute an die „Grenzen ihrer Durchhaltefähigkeit“ stießen.

Feuerwehr und THW sind teils an ihren Grenzen

Nach Meinung „aller ernstzunehmenden Fachleute“ stehe wegen des Klimawandels, der auch augrund der unzureichenden deutschen Anstrengungen („wir treten nicht nur auf der Stelle, sondern haben Rückschläge erlitten“) ungehemmt fortschreite, eine „deutliche Zunahme an extremen Wetterlagen mit gravierenden Auswirkungen auf die betroffenen Menschen, ihre Gesundheit, ihre Lebensumwelt sowie die lebenswichtigen Infrastrukturen“ bevor. Hinzu komme der klimabedingte globale Migrationsdruck, der sich, wie der Realist Geier vorauszusetzen scheint, primär Richtung Bundesrepublik entlade.

Anpassung des Bevölkerungsschutzes an die Folgen des Klimawandels sei daher das „Gebot der Stunde“. Wie diesem Imperativ praktisch Genüge getan wird, davon künden Schilderungen aus dem Alltagsgeschäft des BBK. Nie in Frage gestellte Grundlage sei dabei jedoch, wie die BBK-Mitarbeiterinnen Christina Nikogosian und Susanne Krings schreiben, das UN-Rahmenübereinkommen über anthropogene Klimaänderungen von 1992, das die Vertragsstaaten verpflichtet, nationale Programme zur Anpassung an den Klimawandel aufzulegen. Als Beitrag hat sich die BRD 2008 die „Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS)“ verordnet, ergänzt durch einen „Aktionsplan Anpassung (APA)“.

Trotz hochtönender „Strategien“ erreichten zahlreiche Feuerwehren ihre Belastungsgrenzen. Thomas Kutschker, der Zuständige des hessischen Innenministeriums für Gefahrenabwehrplanung und Katastrophenschutz, belegt mit seit 2002 gesammelten Einsatz- und Niederschlagsdaten aus dem Großraum Frankfurt, daß die Berufs- und Freiwilligen Feuerwehren sich bei Starkregenereignissen regelmäßig „in einer Art Ausnahmezustand“ befänden. Die benötigten Fahrzeuge, Pumpen, Schläuche und das Personal würden jedesmal rasch knapp. Bereits geringe Niederschlagsmengen lösten viele Einsätze aus. Regional unterscheiden sich die Regenwirkungen aber markant, je nach Zustand der Kanalsysteme, der Höhenlage des Einsatzgebiets oder der schwierigen Zugänglichkeit.

Durchschnittlich zwei Stunden pro Einsatzstelle benötigte bisher eine Sechs-Mann-Staffel. „Zu lange“, befindet Kutschker in Erwartung einer dichteren Folge von Unwettern. Aber seine „verbesserte Risikoanalyse“ zwecks „vorausschauender Einsatzplanung“ vermag die von ihm angedeutete unzureichende Personal- und Materialausstattung wohl künftig seltener zu kompensieren. Finanziell haben sich Bund und Länder mehr in der „Flüchtlingskrise“ als bei der Katastrophenprävention engagiert.

Zwanzig „Heißtage“ zeigen noch keinen Trend

Immerhin finanziert der Bund seit 2001 mit BKK-Beteiligung Extremwetterforschung. Das Spektrum reicht von der Einrichtung von Meßstationen der Radarklimatologie über die Kartierung von Starkregengefährdungen bis zum Projekt „Urbane Sturzfluten“. 

Während Nikogosian und Krings anhand der Sommer 2015 und 2018 mit ihren weit überdurchschnittlichen zwanzig „Heißtagen“ noch keinen Trend erkennen, will Jens Hasse vom Deutschen Institut für Urbanistik aus den 2.000 Sonnenstunden von 2018 die nächste Dekade exorbitanter Hitzebelastungen absehen können, die vor allem in Städten die Gesundheit älterer Menschen, chronisch Kranker, von Kindern sowie Bewohnern von Quartieren mit „geringer Umweltqualität und ungenügend gedämmten Gebäuden“ beeinträchtige. Die „unaufhaltsame Alterung der Gesellschaften Westeuropas“ verschärfe die Lage.

Hitzeaktionspläne gebe es zwar vielerorts, aber gefordert sei der deutschlandweite Umbau: Jede Stadt und Gemeinde – eine „klimagerechte Kommune“. Dafür müsse viel mehr Raum für Bäume und sonstiges Stadtgrün, für Verschattungs- und Verdunstungsleistungen entstehen. Da unverzichtbar für den Erfolg dieser stadtökologischen „Grünstrategie“, sollte man zudem der „Bewußtseinsbildung“ bei allen „Akteuren der Stadtgesellschaft“ mehr Aufmerksamkeit schenken.





Warn-App NINA

Über die Notfall-Informations- und Nachrichten-App (NINA) verschickt der Bund wichtige Warnmeldungen des Bevölkerungsschutzes für unterschiedliche Gefahrenlagen wie Gefahrstoffausbreitungen oder Großbrände, angepaßt auf den aktuellen Standort. Wetterwarnungen des Deutschen Wetterdienstes und Hochwasserinformationen der zuständigen Stellen der Bundesländer sind ebenfalls in die Warn-App integriert. Technischer Ausgangspunkt für NINA ist das modulare Warnsystem des Bundes (MoWaS). Dieses wird vom BBK für bundesweite Warnungen des Zivilschutzes betrieben. Seit 2013 können auch alle Lagezentren der Länder und viele bereits angeschlossene Leitstellen von Städten und Kommunen das Warnsystem nutzen. In der Regel sind dies Feuerwehr- und Rettungsleitstellen, die Warnmeldungen für lokale Gefahrenlagen herausgeben. Die Behörden geben per App auch konkrete Verhaltenshinweise.