© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG  www.jungefreiheit.de 34/19 / 16. August 2019

„Ich will, daß das ein Ende hat“
Paukenschlag: Der erst vor Monaten verabschiedete Luftwaffen-General Joachim Wundrak will für die AfD in Hannover antreten
Moritz Schwarz

Herr Wundrak, sind Sie die Vorhut des „Aufstands der Generale“, den der AfD-Landeschef von Rheinland-Pfalz Uwe Junge vor kurzem indirekt gefordert hat? 

Joachim Wundrak: Nein, und ich sage klar und deutlich, das Gerede davon ist Unsinn. Genauso übrigens wie die Unterstellung, Herr Junge habe damit zu einem Militärputsch auffordern wollen.

Die Bundeswehr ist in katastrophalem Zustand – warum ist die Forderung Unsinn?

Wundrak: Weil in Deutschland der sogenannte „Primat der Politik“ gilt, was bedeutet, daß Politiker und nicht Militärs politische Fragen entscheiden. 

Aber müssen Generäle nicht aufstehen, wenn die Streitkräfte in erheblichem Maße nicht mehr einsatzfähig sind? 

Wundrak: Dieses Ansinnen kam auch immer wieder aus der Truppe, Tenor: Herr General, geben Sie der Bild mal ein Interview und reden Klartext! Es ist aber richtig, daß Generäle bei uns keine Politik machen. Möglich ist dagegen, intern Kritik zu üben. 

Ihnen wird vorgeworfen, eben das in Ihrer aktiven Zeit mit Rücksicht auf die Karriere nicht getan zu haben, nun aber, da Sie Ihre Schäfchen ins Trockene gebracht hätten, plötzlich den „Mut“ dazu zu finden.

Wundrak: Unsinn, ich habe wiederholt Kritik geübt, auch gegenüber Ministerin von der Leyen, dafür gibt es Zeugen. Warum ich mich damals nicht öffentlich geäußert habe, jetzt, da ich meinen Abschied genommen habe, aber schon, habe ich erklärt: Als Soldat gilt der Primat der Politik, als Zivilist nicht mehr. 

Kritisiert haben Sie von der Leyen etwa für ihren Vorwurf, die Truppe habe in puncto Rechtsextremismus ein „Haltungsproblem“. 

Wundrak: Der Vorwurf hat viele Soldaten getroffen – zu Recht, denn von der Oberbefehlshaberin öffentlich beschimpft zu werden ist schwer erträglich.

Wie groß ist der Unmut in der Bundeswehr nun tatsächlich?  

Wundrak: Da muß man fair und präzise sein: Die Schuld an ihrem Zustand trifft nicht allein von der Leyen, sondern ebenso ihre Vorgänger von Thomas de Maizière (CDU) bis Rudolf Scharping (SPD). Alle haben sie darin versagt, dafür zu sorgen, daß die Streitkräfte bekommen, was sie brauchen – nicht was diese „wünschen“, sondern „brauchen“!

Die Politik kann allerdings nicht verteilen, was nicht da ist. 

Wundrak: Geld ist da, das ist eine Frage der Priorisierung: Die Politik verteilt aber lieber Wahlgeschenke, bläht den Sozialsektor auf oder steckt es in die Flüchtlingspolitik. Es ist also gar kein Wunder, daß die Bundeswehr heute in so einem Zustand ist.

Den Sie wie genau beschreiben würden?

Wundrak: Seit über zehn Jahren hängt Deutschland seinem Versprechen gegenüber der Nato zurück, seine Streitkräfte angemessen auszurüsten. Artikel 3 des Nato-Vertrags besagt, daß die Nationen sich erst mal um die eigene Sicherheit zu kümmern haben. Doch wir tun inzwischen so, als gebe es diesen Artikel gar nicht. Statt dessen verstecken wir uns quasi hinter Artikel 5, der die kollektive Verteidigung regelt.         

Welche Rolle für den Verdruß in der Bundeswehr spielt der Umstand, daß von der Leyen sie zum Paradepferd grüner Gesellschaftspolitik gemacht hat? Wie die Präsidentin der Bundeswehr-Universität München bestätigte, als sie ihr im November stolz attestierte, in Sachen „Diversity“ „dem Rest der Gesellschaft voraus“ zu sein.

Wundrak: Auch das spielt durchaus eine Rolle, und große Teile der Bundeswehr, auch viele Soldatinnen, würden es begrüßen, konzentrierten wir uns auf den Auftrag der Streitkräfte, statt auf solche „Nebenkriegsschauplätze“. 

Läuft das unmerklich nebenher oder absorbiert es tatsächlich Geld und Kraft auf Kosten des eigentlichen Auftrags?

Wundrak: Na selbstverständlich geht das auf Kosten des Auftrags der Bundeswehr. Und zudem werden etliche Kameraden zu Maßnahmen gegen ihre innere Überzeugungen genötigt.  

Warum macht eine CDU-Ministerin das?

Wundrak: Tja, das müssen Sie sie fragen. Ich denke, weil man damit politisch punkten und sich Wählern empfehlen kann, die bisher links der Union ihr Kreuzchen gemacht haben.

Es geht also nur um den eigenen politischen Nutzen, nicht um den der Truppe?

Wundrak: Ja, aber das ist doch normal. 

Finden Sie? 

Wundrak: Ich habe es noch nie anders erlebt. Im günstigsten Fall waren Eigeninteresse der Politiker und das der Truppe zufällig deckungsgleich.

Das mag so sein, ist aber doch kein Zustand, mit dem man sich abfinden kann. Im Gegenteil, tut eine Gesellschaft das, geht es abwärts – was nur zu verhindern ist, wenn sie von Politikern, gemäß deren Amtseid, Einsatz für die Sache verlangt.

Wundrak: Das wäre Aufgabe der Medien. Aber was machen diese? Statt Politikern auf die Zehen zu treten, zeigen sie bevorzugt mit dem Finger auf die Bundeswehr – und blasen jeden Einzelfall zum Skandal auf. 

Hat die Bundeswehr denn ein „Haltungsproblem“ in Sachen Rechtsextremismus. 

Wundrak: Ganz klar, nein! 

Also auch das eine Aussage, um sich auf Kosten der Truppe zu profilieren? 

Wundrak: So sehe ich das, ja.   

Wie lautet also Ihr Fazit zu obiger Frage, wie groß die Unzufriedenheit in der Bundeswehr ist? Ist künftig mit weiteren Fällen wie dem Ihren zu rechnen?

Wundrak: Das kann ich nicht sagen. Und eigentlich widerstrebt es mir auch, Herr Schwarz, nur über die Bundeswehr zu sprechen. Denn es ist ein Mißverständnis anzunehmen, die Lage dort wäre der Grund, warum ich mich zum politischen Engagement entschlossen habe. 

Inwiefern? 

Wundrak: Der Irrtum hat sich leider weit verbreitet, wie man am Großteil der Medienberichterstattung und auch an Reaktionen einiger ehemaliger Kameraden ablesen kann. Und natürlich gibt es bei der Bundeswehr viele Mißstände, die zu beheben mir auch am Herzen liegt. Obgleich ich nicht den Eindruck erwecken möchte, alles bei der Bundeswehr sei schlecht. Das ist ganz und gar nicht der Fall! Viele dienen dort mit großem Einsatz, machen gute Arbeit, und ich fühle mich nach wie vor meiner Bundeswehr verbunden. In die Politik geht aber nicht der General, sondern der Bürger Wundrak, und nicht aus spezieller Sorge um die Bundeswehr, sondern um unser Land! Die Verteidigungspolitik zu korrigieren ist mit ein Grund, Hauptgründe sind aber die EU- und Migrationspolitik. Vor allem letztere ist auch der Grund dafür, daß ich 2014 aus der CDU ausgetreten bin. Der ich übrigens – entgegen meiner ursprünglichen Überzeugung, mich als vorgesetzter Offizier nicht parteipolitisch zu positionieren – 2008 beigetreten war, um dem Linksrutsch der SPD etwas entgegenzusetzen. Der in der Absicht der hessischen SPD-Chefin Andrea Ypsilanti zum Ausdruck kam – entgegen ihrem Versprechen vor der Landtagswahl, nicht mit der Linken zusammenzuarbeiten –, eine rot-grüne Minderheitsregierung mit linker Tolerierung zu bilden. 

Warum sind Sie 2014 wieder ausgetreten? 

Wundrak: Zum einen ist auch die CDU Schritt für Schritt nach links gerückt. Zum anderen habe ich durch Kontakte zur Bundespolizei erfahren, wie die Regierung es 2014 unterlassen hat, etwas gegen die, damals noch verdeckte, Masseneinwanderung zu unternehmen. 

Inwiefern „verdeckt“? 

Wundrak: Während des G7-Gipfels in Elmau wurden zur Sicherheit vorübergehend wieder Grenzkontrollen gemacht. Was stellte die Bundespolizei dabei fest? Aberhunderte illegale Einwanderer. Worauf die Politik wie reagierte? Erstens, tunlichst vermeiden, daß der Zustand öffentlich wurde. Zweitens, nach Ende des Gipfels die Kontrollen einzustellen, als wäre nichts gewesen! Das nächste war, als Frau Merkel 2017 sagte, rückblickend könne sie in Sachen Einwanderung nicht erkennen, was sie hätte anders machen sollen. Da war für mich klar, ich muß mich aktiv gegen diese Politik einsetzen, da sie absichtsvoll gegen die Interessen unseres Staates und Volkes gerichtet ist. Und die einzige Partei, die sich dem entgegenstellt, ist nun mal die AfD.  

Für die treten Sie nun als Kandidat zur Oberbürgermeisterwahl in Hannover am 27. Oktober an. Enthalten Sie ihr damit aber nicht Ihre Expertise als Verteidigungsexperte vor, die für sie viel wichtiger wäre? 

Wundrak: Unterschätzen Sie nicht die Anforderungen, die das Amt eines Oberbürgermeisters einer Großstadt wie Hannover mit sich bringt! Und die durchaus höher sein können als die eines Bundestagsabgeordneten. 

Sie sind also nicht nur Zählkandidat für die OB-Wahl, Sie meinen es ernst? 

Wundrak: Zwar bin ich von der AfD in Hannover gebeten worden, denn eigentlich hatte ich nicht vor, mich um ein Amt zu bewerben. Weil andere potentielle AfD-Kandidaten aber von ihren Arbeitgebern so unter Druck gesetzt wurden, daß sie die Partei verlassen mußten, ich dagegen als Soldat a.D. nicht mehr derart gemobbt werden kann, habe ich nach reiflicher Überlegung zugesagt. Ich mache das nicht aus Spaß, sondern weil ich mich von meiner Partei in die Pflicht habe nehmen lassen – natürlich meine ich es also ernst! 

Dennoch ist klar, daß Sie – siehe OB-Wahl in Görlitz – keine Chance haben. Ist danach für Sie Schluß oder kommt dann doch die Landes- oder Bundespolitik in Frage? 

Wundrak: Das entscheide ich, wenn es soweit sein sollte. Jetzt geht es um Hannover! 

Trifft es zu, daß Sie, wie der „Spiegel“ schreibt, Ihren Beitritt zur AfD im Januar 2018 bis zu Ihrer Verabschiedung aus dem Dienst im September aus Angst vor „Repressalien“ geheimgehalten haben?

Wundrak: Nein, das ist falsch. Der Grund ist vielmehr, daß ich weder meinem Dienstherrn noch Mitarbeitern und Kameraden die Reaktion der Medien darauf zumuten wollte. Sie können sich vorstellen, was die veranstaltet hätten, wäre das bekanntgeworden, so absurd es auch gewesen wäre. Übrigens habe ich schon im Herbst 2017 meinen Aufnahmeantrag gestellt. Daß sich die Aufnahme so lange hingezogen hat, liegt daran, daß die AfD, wie ich nun selbst erlebt habe, einem sorgfältigen Verfahren folgt, um mögliche Extremisten fernzuhalten.     

Der CDU den Rücken zu kehren ist eine Sache, eine andere der AfD beizutreten.

Wundrak: Das stimmt, aber für mich ist das politische Kernproblem Deutschlands die Frage der Souveränität. Denn alle politischen Mißstände, die ich bemängele, wurzeln darin. Schauen wir uns die Politik Frau Merkels an: Es wird eine Krise erzeugt – und dann gesagt, um diese zu lösen, bedürfe es der Übertragung weiterer Souveränität an die EU oder EZB. Das aber bedeutet den Abbau von Demokratie und Stabilität. Denn tatsächlich können stabile und demokratische Verhältnisse, ebenso wie ein gut funktionierender Rechts- und Sozialstaat am besten durch einen modernen, aufgeklärten Nationalstaat sichergestellt werden, weil nur dieser noch nah genug am Bürger ist, um das politische Versprechen, diesen und seine Freiheit zu schützen, einlösen zu können.  

Sie haben der Kanzlerin öffentlich „antideutsche Politik“ vorgeworfen. Was meinen Sie damit genau?

Wundrak: Frau Merkel hat einen Eid gegenüber dem deutschen Volk geschworen. Übrigens war ihre Vereidigung das einzige Mal, das ich recherchieren konnte, bei dem sie den Begriff „deutsches Volk“ in den Mund genommen hat, sonst spricht sie ja nur von Bevölkerung, Menschen und Längerhierlebenden. Das Volk aber, so etwa Hannah Arendt, ist ein Element, das unseren Staat ausmacht – die anderen beiden sind das Staatsgebiet und die Rechtsordnung. Frau Merkel nun schleift alle drei: Mit ihren offenen Grenzen verschwimmt das Staatsterritorium, mit der multikulturellen Masseneinwanderung das Volk und mit ihrer Politik der Rechtsbrüche und der Übertragung unserer Souveränität die staatliche Organisation. Ich will auf demokratischem Wege dazu beitragen, daß das ein Ende hat!






General a.D. Joachim Wundrak, war zuletzt Kommandeur des Zentrums Luftoperationen der Luftwaffe. Der ehemalige Transall-Pilot und Kommodore des Lufttransportgeschwaders 62 diente auf dem Balkan und in Afghanistan, im Führungsstab der Streitkräfte, im Luftwaffenführungskommando, war Befehlshaber des Combined Air Operations Center der Nato sowie des Kommandos Operative Führung der Luftstreitkräfte. Der Generalleutnant a.D.,1955 in Kerpen bei Köln geboren, trat der Bundeswehr 1974 bei. 

Foto: Verteidigungsministerin von der Leyen (M.), Generalleutnant Wundrak (r.) vor einem A400M-Transporter der Luftwaffe 2014 auf dem Fliegerhorst Wunstorf bei Hannover: „Natürlich gibt es bei der Bundeswehr Mißstände, die ich beheben möchte. In die Politik gehe ich aber nicht als General, sondern als Bürger, nicht wegen der Armee, sondern für unser Land“   

 

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