© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG  www.jungefreiheit.de 34/19 / 16. August 2019

Integration funktioniert nicht
Wölfe breiten sich immer mehr aus: Landwirte und Schäfer in Unruhe / Politik wiegelt ab
Hinrich Rohbohm

Normalerweise ist Dieter Frahm (Name geändert) ein ruhiger Landwirt. Seine Nachbarn in der beschaulichen Gemeinde Scheeßel im niedersächsischen Landkreis Rotenburg schätzen seine Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit und seine Gelassenheit. Doch mit letzterer ist es seit einiger Zeit vorbei, wenn man den 53jährigen auf das Thema Wölfe anspricht. Dann dreht sich der Mann um, entfernt sich einige Meter von seinem Gegenüber, dreht sich wieder um und kommt schnellen Schrittes wieder zurück. „Hören Sie mir bloß auf mit dem Wolf. Da würde ich unsere Politiker am liebsten gegen die Wand klatschen“, entfährt es dem Familienvater heftig.

Es ist die Wut eines Mannes, der sich von der Politik im Stich gelassen sieht. Der jeglichen Respekt vor Entscheidungsträgern deutscher Regierungsvertreter verloren hat. „Die da oben wundern sich, warum sich die Menschen radikalisieren. Dabei haben sie das Gespür für unsere Probleme vollkommen aus den Augen verloren.“ Schon vor Jahren hatte Frahm mit Politikern und Behördenvertretern gesprochen, hatte vor Gefahren für seine Pferde und Rinder gewarnt, die ihm und anderen Landwirten durch die stark zunehmende Wolfspopulation in Niedersachsen drohten. Vergeblich. „Die empfahlen uns höhere Zäune zu bauen, als würde das den Wolf abhalten können“, lacht er verbittert.

Daß Dieter Frahm lieber anonym bleiben möchte, hat seinen Grund. Im vergangenen Jahr hatte er persönlich Wölfe von seinen Weiden vertreiben müssen. „Eigentlich darf ich das nach unserem deutschen Artenschutzrecht gar nicht. Wenn ich mich daran gehalten hätte, dann hätte ich die Wölfe vielmehr zum Büfett an meinen Tieren einladen müssen.“ Frahm, der auch Jäger ist, tat das nicht, vertrieb das Rudel mit Gewehrschüssen. „Aber was in anderen Ländern selbstverständlich ist, das ist bei uns in Deutschland untersagt. Als Viehhalter wirst du hier regelrecht in die Illegalität getrieben.“

Die zunehmende Wolfspopulation ist in Niedersachsen längst zu einem Politikum geworden. Jäger und die CDU würden den Wolf gern ins Jagdrecht aufnehmen, um die Population im Gleichgewicht halten zu können. Tierschützer und die SPD stehen dem Abschuß des Wolfs dagegen ablehnend gegenüber. Da beide Parteien in Hannover in einer großen Koalition miteinander regieren, geschieht derzeit nichts. In Sachsen und Brandenburg ist die Debatte über die Ausbreitung des Wolfs und die damit einhergehenden Probleme sogar zu einem Thema des derzeitigen Landtagswahlkampfes geworden. Und Schäfer rufen inzwischen bundesweit zu Demonstrationen auf, um auf die zunehmende Wolfsgefahr aufmerksam zu machen.

„Man läßt den Wolf sich unkontrolliert ausbreiten und gefährdet damit unsere hohe Artenvielfalt. Wir leben in einer Kulturlandschaft, nicht in einer Naturlandschaft“, warnt Wendelin Schmücker gegenüber der JF vor verheerenden Folgen. Schmücker ist Vorsitzender des Fördervereins der Deutschen Schafhaltung, betreibt im niedersächsischen Winsen an der Luhe im Landkreis Harburg und im Landkreis Lüneburg selbst eine Schäferei. Er stammt aus einer Familie, die die Schafzucht seit 290 Jahren ausübt, ist seit 2005 selbst Betriebsinhaber.

„Die Lüneburger Heide ist sehr stark von Angriffen des Wolfs betroffen“, sagt er. Sogar am hellichten Tag würden Wölfe immer häufiger angreifen. Im vergangenen Jahr suchten die Raubtiere seine Herden zweimal heim. „Ich hatte dadurch insgesamt 28 tote Tiere. Acht Schafe wurden verletzt.“

Schlüsselpositionen von Öko-Lobbyisten besetzt

Wendelin Schmücker hat seinen Laptop aufgeklappt, ruft einige Fotos auf. Es sind Bilder des Grauens. Von Wölfen angefressene Schafe sind darauf zu sehen. Die Tiere leben noch, stehen auf der Weide, während ihre Eingeweide aus dem Körper quellen. „Die Wölfe gehen erst dann zum Programm Fressen über, wenn sich nichts mehr bewegt“, erklärt Schmücker diesen Umstand. Seine Tiere mußten zuletzt alle eingeschläfert werden, die Verletzungen waren zu stark. Daß es sich dabei tatsächlich um Wölfe handelte, konnte per DNS-Analyse bestätigt werden.

Dabei würde der Wolf längst nicht nur im Rudel angreifen, wie fälschlicherweise oft angenommen werde. „In Baden-Württemberg wurden beispielsweise 43 Schafe durch nur einen einzigen Wolf getötet.“ Schon ein Tier alleine benötige für seine tägliche Nahrungsaufnahme vier Kilogramm Fleisch. Ein Rudel bestehe zumeist aus zehn Wölfen. „Und bei dem guten Nahrungsangebot, das die Tiere hier bei uns vorfinden, bekommt eine Wölfin bis zu acht Welpen“, verdeutlicht Schmücker des Wolfes Fleischbedarf.

„Wir haben inzwischen eine starke Ausbreitungsdynamik, denn der Wolf hat hier bei uns keine Feinde. Gleichzeitig haben wir aber Schafsrassen, von denen gibt es viel weniger Tiere als vom Wolf. Von Erhaltung der Artenvielfalt kann da keine Rede mehr sein“, zeigt sich auch der Schäfer darüber verärgert, daß die Politik in Deutschland untätig bleibt.

Dabei hatte die Bundeskanzlerin das Wolfsproblem sogar zur Chefsache erklärt. Was sich wie ein Einlenken anhört, klingt für Schäfer, Bauern und Jäger wie Hohn. „Die Tierbestandsschäden werden immer gravierender. Doch der Bundesregierung und dem Naturschutzbund Deutschland mit zehn weiteren Verbänden fallen nur halbherzige Maßnahmen ein, wie etwa eine Wolfsentnahme bei nur ernsten Schäden“, kritisiert Schmücker. Geradezu „aberwitzig“ sei zudem die Idee, mit einem Wolfsfütterungsverbot irgend etwas ausrichten zu können. Dem Ausmaß und der Schwere des Problems werde das in keiner Weise gerecht.

Warum sich die Politik bei der Eindämmung der Wolfspopulation so zurückhält, ist für Schmücker leicht nachzuvollziehen: „Der Naturschutzbund (Nabu) hat entscheidende Schlüsselpositionen im Bundesumweltministerium besetzt. Der ehemalige Nabu-Präsident Jochen Flasbarth ist dort Staatssekretär.“ Im Jahre 2003 hatte ihn der damalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) ins Amt des Abteilungsleiters für Naturschutz und nachhaltige Naturnutzung berufen. Später, noch während der ersten großen Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel, wurde er 2009 Präsident des Umweltbundesamtes. Vier Jahre danach Staatssekretär.

„Auch der Nabu-Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen hat einen Posten im Bundesumweltministerium bekommen“, sagt Schmücker. Dadurch habe die Organisation ein gutes Netzwerk im Ministerium und sei dabei nur ein Beispiel für den dortigen Einfluß der Umweltverbände. „Die FDP hat eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, wieviel Geld die Naturschutzorganisationen im Zeitraum zwischen 2014 bis 2019 erhalten haben.“ Dabei stellte sich heraus, daß allein der WWF 135 Millionen Euro aus dem Ministerium erhalten hatte. Der Nabu erhielt 52,5 Millionen Euro, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) 21 Millionen. „Allein diese drei Verbände haben also über 200 Millionen Euro an hart verdienten Steuergeldern bekommen.“

Einflußnahmen, die auch in Steimbke, einer Gemeinde im niedersächsischen Landkreis Nienburg/Weser, für Unmut sorgen. „Wir sind früher mit den Kindern regelmäßig in den Wald gegangen. Aber heute? Ja, der Wolf greift normalerweise keine Menschen an. Aber wer garantiert uns, daß nicht doch mal etwas passiert?“ fragt eine Mutter von zwei Kindern. Viele Mütter im Ort seien angesichts der zunehmenden Wolfspopulation und den damit zunehmenden Angriffen auf Nutztiere beunruhigt und in Sorge um ihre Kinder. „Der Wolf paßt sich den Lebensumständen an, er verliert seine Angst vor den Menschen.“ Mehrfach schon hätten Anwohner das Raubtier sogar in Ortschaften und an Straßen gesichtet. Einmal sogar in der Nähe eines Kindergartens.

Zwar ist aktuell noch kein Fall bekannt, in dem ein Mensch von einem Wolf angegriffen wurde. „Wir sind aber auf dem besten Weg dahin“, warnt Schmücker. Bekannt ist ihm ein Vorfall, bei dem sich ein Wolf einer Schafsbesitzerfamilie in der Lüneburger Heide genähert hatte. „Die hatten ihn schließlich mit dem Geländewagen vertrieben, indem sie auf den Wolf direkt zugefahren waren.“ Erlaubt ist auch das nicht. Gerade deshalb würden viele Betroffene über derartige Fälle schweigen, um keinen Ärger mit den Behörden zu bekommen.

Radikale Tierschützer     stellen Jäger an den Pranger 

Im Landkreis Nienburg hat in den vergangenen Monaten vor allem „GW717m“ für Angst und Schrecken unter Mensch und Tier gesorgt. Es ist die Kennung eines Rüden, der in der Region als Problemwolf von sich reden macht. Gemeinsam mit seinem Rudel soll der Leitwolf mehr als 40 Nutztiere gerissen haben, darunter auch Rinder und Pferde. Das niedersächsische Umweltministerium hatte in diesem Fall tatsächlich die Genehmigung zum Abschuß erteilt. Was wiederum radikale Tierschützer auf den Plan rief. „Die haben teilweise unsere Namen im Internet veröffentlicht, um uns an den Pranger zu stellen“, erzählt der JF ein Jäger aus dem Landkreis, der seinen Namen nicht in der Zeitung gedruckt finden will. Auch die Jagd auf den Wolf selbst sei „von den Fanatikern sabotiert“ worden. „Die laufen da mit Handys und Fotokameras durch den Wald, um uns zu fotografieren, ganz so, als wären wir Kriminelle.“

In anderen Ländern der EU habe man längst begriffen, daß man der stark zunehmenden Wolfspopulation ohne Jagd nicht Herr werden kann. „Frankreich hat eine Populationsobergrenze von 500 Wölfen festgelegt. In Schweden liegt sie bei 300. So etwas brauchen wir hier auch“, sagt der Jäger. Zudem dürften in Frankreich Privatpersonen auf ihrem Grund und Boden das Jagdrecht ausüben. „In Deutschland ist das erst ab 75 Hektar Grundbesitz möglich.“

„Die Entwicklung ist in Frankreich schon viel dramatischer als bei uns“, erklärt auch Schäfer Schmücker. Schafe würden dort nachts sogar schon in alte Weltkriegsbunker gebracht, um sie zu schützen. Über 12.000 Nutztiere verliere man in Frankreich pro Jahr an die Wölfe. „Das ist ein jährlicher Schaden von 25 Millionen Euro.“ Zum Vergleich: In Deutschland waren es bisher lediglich 1.700 Nutztiere, die dem Wolf zum Opfer gefallen sind, davon 1.300 Schafe. „In Frankreich dürfen Schäfer mittlerweile auch eine Waffe mit sich führen. Aber in Deutschland verschließt man sich davor.“ Jedenfalls noch.

 https://dbb-wolf.de/die-dbbw

 Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände e. V.: https://www.schafe-sind-toll.com