© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG  www.jungefreiheit.de 34/19 / 16. August 2019

Politiker sind erzürnt über bequeme Privatautos
Pkw-Neuzulassungen in Deutschland: Anteil der SUV innerhalb von fünf Jahren auf 30,6 Prozent gestiegen / Grüne, SPD und CSU verlangen Strafabgaben
Jörg Fischer

Winfried Kretschmann hat ein Privileg: Anders als seine Amtskollegen muß sich der baden-württembergische Landesvater bei Dienstfahrten nicht in einen niedrigen 7er BMW oder Audi A8 hineinzwängen. Seit Jahresbeginn darf sich der 71jährige im SUV chauffieren lassen – zumindest in und um Stuttgart. Nur für längere Strecken muß er weiter eine S-Klasse nutzen. Denn der Mercedes GLC ist zwar geräumiger und bequemer, aber auch – als Tribut an seine grünen Parteifreunde – ein F-Cell: ein 2,2-Tonnen schwerer Hybrid mit Brennstoffzelle und Lithium-Ionen-Batterie. Der schwäbische Elektro-SUV hat zwar eine höhere Reichweite als Akkuautos à la BMW i3 oder Nissan Leaf, doch das für ihn notwendige Wasserstoff-Tankstellennetz ist rudimentär.

Aus Bürgersicht ist Kretschmann aber ein Trendsetter: Im Juni stiegen die Neuzulassungen bei den SUV und Geländewagen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 8,7 Prozent auf fast 100.000, wie das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) mitteilte. Ihr Marktanteil kletterte auf 30,6 Prozent. Vor fünf Jahren waren es 17,2 Prozent gewesen, 1995 nur zwei Prozent, die sich einen Jeep oder Toyota RAV4 zulegten. Speziell die höhere Sitzposition und Sicherheit wird inzwischen von Älteren und Frauen geschätzt.

Die einst führende Golf-Klasse lag 2014 noch bei einem Marktanteil von 26,8 Prozent. Inzwischen sind es nur noch 20,7 Prozent. Der E-Auto-Anteil liegt im Ein-Prozent-Bereich. Doch die 799 Euro monatlich, die der GLC F-Cell für „ausgewählte Kunden und Partner“ kostet, haben die wenigsten für ein Zweitfahrzeug übrig. Ein vergleichbar großer SUV wie der Marktführer VW Tiguan oder Konkurrenten wie Peugeot 5008 und Nissan X-Trail sind für weniger als die Hälfte monatlich zu haben.

CO2-Debatte als Anlaß für massive Steuererhöhungen

Doch der SUV-Trend erzürnt nicht nur Autoanzünder in Großstädten, sondern auch Politiker. Diese wollen Strafabgaben, denn die SUV sind oft etwas schwerer und durstiger als gleich­teure Limousinen und Kombis. Sprich: Ihre Benzin- oder Dieselmotoren stoßen einige Gramm CO2 pro Kilometer mehr aus. Wenn jemand „einen PS-starken Verbrenner will, obwohl umweltfreundlichere Elektroautos zur Verfügung stehen, muß er dafür einen Preis bezahlen“, droht SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch. Seine Parteigenossin Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamtes, verlangt wie Grünen-Chefin Annalena Baerbock eine spürbare Anhebung der Kfz-Steuer.

SUV-Besitzer stärker zur Kasse zu bitten ist auch „eine der Grundideen“ im Klimaschutzkonzept „4K“ von CSU-Chef Markus Söder. Daß die Kfz-Steuer bereits seit 2009 nach Hubraum und CO2-Ausstoß bemessen wird, reicht dem Ministerpräsidenten des Autoindutriestandorts Bayern offenbar nicht. Christian Lindner will lediglich Benzin und Diesel verteuern: „Die Steuerung sollte also über den Kraftstoffpreis erfolgen“, so der FDP-Chef. Obwohl 60 Prozent des Benzinpreises Steuern und Abgaben sind, scheint für Lindner hier noch viel Luft nach oben: Die letzte Steuererhöhung erfolgte 2003 unter Rot-Grün.

Bernd Riexinger verlangt immerhin soziale Ausnahmen. Ob gewerbliche Nutzer nun Dieselgutscheine à la DDR und Hartz-IV-Familien Tankstellenrabatt bekommen sollen, verriet der Linken-Parteichef nicht. CDU-Politiker halten sich wegen der Landtagswahlen zurück. Nur Ex-Umweltminister Klaus Töpfer verlangt einen „eine SUV-Steuer über die Mehrwertsteuer“. Eine Bundestagspartei verteidigt aber die SUV: „Autofahren geht ohnehin schon ins Geld“, argumentiert AfD-Umweltsprecher Frank Scholtysek. Hinzu kommt: Das drehen an der Steuerschraube belastet auch Kinderreiche, die einen Mini-Van oder Kleinbus brauchen. Und die sind oft durstiger als das Feindbild SUV.