© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG  www.jungefreiheit.de 34/19 / 16. August 2019

Gondeln wie August der Starke
Zwischen Schloß Pillnitz und Dresden soll wieder eine prachtvolle Flotte die Elbe zieren
Paul Leonhard

Schwer beladene Schlepper aus Tschechien sind auf der Elbe unterwegs, die stolzen Schaufelraddampfer der Weißen Flotte, schnelle Motorboote, auch Kajaks, Ruder- und Faltboote und – geht es nach dem Willen von Jens Friebel – demnächst auch prächtige Gondeln. Denn Friebel und seine Mitstreiter im Verein Sächsischer Prunkgondeln wollen eine Tradition wieder einführen, die auf den legendären Herrscher August den Starken (1694–1733) zurückgeht und die die Wettiner bis zu ihrem Thronverzicht 1918 gepflegt haben: Gondelfahrten zwischen dem elbaufwärts gelegenen Wasserpalais des Schlosses Pillnitz und der sächsischen Landeshauptstadt Dresden. 

Die Sachsen-Herrscher dürften die Fahrten auf der Elbe durch eine bezaubernde Naturlandschaft genossen haben. Für Kurfürst August den Starken war der Fluß ohnehin sein „Canal Grande“, den er gern mit prächtigen Gebäuden säumen wollte, wie er es bei einer Kavaliersreise als junger Mann in der Lagunenstadt Venedig gesehen hatte. In besten Zeiten bestand die sächsische Flotte aus 59 Gondeln, Schaluppen und sonstigen Booten. Der klägliche Rest steht heute in einem Heckenquartier des Pillnitzer Schloßparks: die rote Schaluppe von 1790. Aber auch sie ist eigentlich kein Original, sondern aus den Überresten zweier Staatsgondeln zusammengebaut, die 1945 aus den Trümmern des Dresdner Albertinums geborgen werden konnten. 

Die Besucher des Schloßparkes stört das wenig. Sie bestaunen die Tritonengondel und nicht wenige sinnieren darüber, wie es wäre, sich wie einst die Könige einfach elbabwärts nach Dresden gondeln zu lassen. Das wäre ein einzigartiges Erlebnis, ist sich Friebel gewiß, der seit zwei Jahrzehnten an der Umsetzung seines Traums arbeitet.

Was der 54jährige stolz als seine Gondel präsentiert, ist eigentlich ein alter, mit einem kobaltblauen Kunstharzpfau geschmückter Spreewaldkahn. Aber das ist kein Problem. Denn die modernen schmalen Gondeln mit ihren aufgebogenen Enden, in denen sich heute Touristen durch die Grachten Venedigs rudern lassen, gibt es in dieser Form erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. 

Eine Fahrt durch die Kanäle um Moritzburg

Die sächsischen Prachtgondeln, entworfen von dem am Hof tätigen italienischen Architekten Alessandro Mauro und dem Architektur- und Bühnenmaler Antonio Joli, waren sowohl auf der Elbe unterwegs, als auch in den um das Schloß Moritzburg bei Dresden angelegten Teichen, die der König um ein zwei Kilometer langes Kanalsystem erweitern ließ, um so auf dem Wasser flanieren zu können.

Mindestens fünf Gondeln soll es gegeben haben: zwei grüne mit „Schnörkeln“, eine große mit einer außen und innen vergoldeten Kajüte, die Schwanengondel und eine nach Neptun, dem Gott des Meeres, benannte. Ein historischer Stich zeigt das Schloß mit zwei Gondeln. Welche Tracht die Gondoliere damals trugen, hat Friebel genau recherchiert und sich danach seine eigene Dienstkleidung schneidern lassen: Wer sich für seine Leidenschaft interessiert, den empfängt er in einer blauen Pluderhose, weißen Kniestrümpfen, schwarzen Schuhen mit breiter Quaste, gelbem Revers mit vergoldeten Borten und Knöpfen, gelber Mütze mit blauem Rand.

Neben Friebel gibt es noch eine andere einflußreichere Person, die die Gondeltradition der Wettiner wieder aufleben lassen möchte, allerdings nicht auf der Elbe, sondern um Moritzburg: Sachsens Schlösserchef Christian Striefler will die einst Mitte des 18. Jahrhunderts angelegten, Kanäle wieder schiffbar machen. Eine Fahrt auf einem festlich illuminierten Boot wäre eine Touristenattraktion, findet Striefler. Die Fahrt würde vom Fasanenschlößchen, wo August der Starke einst Seeschlachten nachstellen ließ, durch den Friedewald zum Oberen Großteich Bärnsdorf führen: Romantik pur.

Einen Vorgeschmack darauf gibt die Veranstaltung „Lustgondeln anno 1719“, eine nachinszenierte Wasserparade anläßlich der Hochzeit des sächsischen Kronprinzen Friedrich August II. und der Habsburger Kaisertochter Maria Josepha. Am 25. August wird eine ganze Flotte von Nachbauten historischer Gondeln von Pirna nach Dresden fahren. An der Spitze ein Spreewaldkahn: die Pfaungondel von Jens Friebel.