© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/19 / 23. August 2019

Sebastian Krumbiegel beweist mit seinem neuen Lied: Jeder blamiert sich wie er kann .
Panoptikum des Zeitgeists
Markus Brückner

In der Zeit nach der Wende begeisterte die Leipziger A-Capella-Popgruppe Die Prinzen das wiedervereinigte Deutschland mit witzigen Radiohits wie „Du mußt ein Schwein sein in dieser Welt“, „Küssen verboten“, „Alles nur geklaut“ oder „Be cool, speak deutsch!“, einer Abrechnung mit nervig-doofen Anglizismen.

Gesicht der damals noch charmanten Combo war von Beginn an Sebastian Krumbiegel. Der Rotschopf mit der markanten Stachelfrisur, Jahrgang 1966, ist weder Dilettant noch Autodidakt, wie viele seiner Kollegen, sondern stammt aus einer Musikerfamilie, studierte Gesang und war Mitglied des traditionsreichen Thomanerchors. Seit geraumer Zeit bastelt er auch an einer Solokarriere und setzt sich nebenbei für soziale Projekte ein – für sinnvolle, aber auch etwa für die notorische Amadeu-Antonio-Stiftung und sonstiges wohlfeiles „Gegen Rechts“-Gedöns.

Nun besingt der Engagierte in seinem neusten Werk die Fragilität der Demokratie. Musikalisch und textlich bleibt er dabei weit unter seinen Möglichkeiten. Was etwa der Titel „Die Demokratie ist weiblich“ aussagen soll, erschließt sich nicht – politisch jedoch klingt der gefällig. Für das Video hat der Leipziger gut drei Dutzend „Promis“ vor die Kamera geholt: Es ist ein Panoptikum des Zeitgeistes, eine „helldeutsche“ Freakshow: der fast 70jährige Berufsjugendliche Peter Maffay, der unvermeidliche Udo Lindenberg, der Zeitreisende aus den Achtzigern Heinz Rudolf Kunze, Dieter Birr von den Puhdys (die ja besonders viel Erfahrung mit einer „demokratischen“ Republik haben), Luci van Org (wer war das gleich?), der unvermeidliche Til Schweiger sowie tatsächlich Heribert Prantl und Tom Buhrow! Zudem Gitte und Katja Ebstein sowie die Polit-Terroristen vom „Zentrum für politische Schönheit“, die bekanntlich eine ganz „spezielle“ Art von demokratischem Diskurs pflegen.

In einem Interview mit dem Vorwärts versucht Krumbiegel seine Intention zu erklären … irgendwie: Trump, Boris Johnson und Viktor Orbán gefährdeten die Demokratie (Salvini hat er vergessen, aber das kann ja mal passieren). Und auch bei uns gebe es nun „eine Partei, deren Vertreter demokratische Grundwerte offen in Frage stellen“. Wußten Sie das etwa nicht?

Darum also, so der Couragierte, müsse die Demokratie dringend verteidigt werden. Man kennt das ja: Ausgerechnet mit „Nazis aufs Maul!“, Maas, Kahane, Antifa und ARD verteidigen wir Toleranz und Freiheit. Leute wie Krumbiegel glauben das wirklich! Immerhin gesteht er zu, man müsse auch „aufeinander zugehen und zuhören, dann ist schon eine Menge gewonnen“. An wem, fragt sich, scheitert dieser Dialog eigentlich regelmäßig?

Sein Vater, so Krumbiegel, habe ihn zum neuen Lied angeregt. Zunächst habe er abgelehnt, sich dann aber umentschieden. Ach, wäre er doch dabei geblieben.