© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/19 / 23. August 2019

Die implizite Verschuldung des Staates liegt bei fast 300 Prozent
Die Politik schläft
Bruno Hollnagel

Im zweiten Quartal ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,1 Prozent gesunken. Es gibt Auftragseinbrüche im Maschinen- und Autobau. Viele Ökonomen befürchten im Herbst sogar einen schmerzhaften Konjunktureinbruch. Weniger Beachtung findet die Tatsache, daß derzeit kleine und mittlere Unternehmen schließen müssen oder ihre Produktion ins Ausland verlagern. Das bedeutet: Gut bezahlte Industriearbeiter-Jobs verschwinden. Schlecht bezahlte Mini- und Dienstleistungsjobs gleichen das nur statistisch aus, die Lohneinkommen sinken. 

Etwa 15 Prozent aller Geflüchteten, die Hartz IV beziehen, haben zwar eine Arbeit, müssen aber aufstocken – zu Lasten der Steuerzahler. So steigt also mit der Zahl der Erwerbstätigen aber zugleich auch die Zahl der Hilfebedürftigen. Das Ergebnis ist eine sich beschleunigende Strukturveränderung auf dem Arbeitsmarkt und eine sinkende Massenkaufkraft. Auch die Fähigkeit, Beiträge in die Rentenkasse zahlen, wird so reduziert. Die offizielle Staatsverschuldung lag 2017 bei 63,9 Prozent des BIP, also nur knapp über dem Maastricht-Kriterium von 60 Prozent. Die implizite Verschuldung des Staates (sprich: seine Schulden plus die Verpflichtungen gegenüber den Sozialkassen) lag laut Auskunft des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages hingegen bei 294 Prozent des BIP. Das kann zur schweren Hypothek werden, denn die Rentenansprüche können immer weniger von den verbleibenden Beitragszahlern erfüllt werden. Das wird den Bundeshaushalt zunehmend belasten. Die Gefahr der Altersarmut steigt. Auch die Steuereinnahmen werden bei gleicher Bemessungsgrundlage bei einer Rezession abnehmen. Da keine Vorsorge getroffen wurde, entstehen Steuerlöcher. Die Politik wird versucht sein, sie durch neue Einnahmequellen zu stopfen. Das geht nur zu Lasten der Massenkaufkraft.

Es offenbart sich das Kernproblem des Regierungshandelns: Es ist eine Schönwetter-Politik. Sie basiert auf Umverteilung ohne Vorsorgemechanismen (Kapitalbildung). Die Gelder müssen erst noch verdient werden. Kommt es zu einer Konjunkturschwäche, dann fehlen die Einnahmen, um die Versprechen einhalten zu können. Die Notlösungen sind dann höhere Steuern, höhere Staatsverschuldung oder Geld aus der Notenpresse – also Maßnahmen, die den Wohlstand und die Kaufkraft schmälern.

Erschwerend kommt hinzu, daß Deutschland gegenüber der EU Verpflichtungen eingegangen ist. Sie können jederzeit eingefordert werden. Die Nullzinspolitik hat die Sparer seit 2008 Hunderte Milliarden Euro gekostet, drohende Negativzinsen werden noch teurer. Doch die verantwortliche Politik nimmt sich dieser Probleme nicht an. Wirtschaftsflüchtlingen zu helfen und das Weltklima zu retten erscheint offenbar wichtiger.






Dr. Bruno Hollnagel, Ökonom und Wirtschaftsingenieur, ist AfD-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Finanzausschuß.