© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/19 / 23. August 2019

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Seit den Tagen von „Pulp Fiction“ (1994) und dem in zwei Teilen veröffentlichten Racheepos „Kill Bill“ (2003/2004) gilt jeder neue Filmstart von Quentin Tarantino als kulturelles Großereignis. Also verschlägt es auch mich vorigen Sonntag ins Kino zu „Once Upon a Time in Hollywood“ mit Leonardo DiCaprio und Brad Pitt in den Hauptrollen, trotz einiger Vorwarnungen. Als der Film im Mai in Cannes Weltpremiere hatte, kritisierte  beispielsweise die Zeit in einer Besprechung, irgendwann in der ersten Stunde beginne man, sich „ein klitzekleines bißchen zu langweilen“.  Das Timing stimme nicht, die Szenen seien lang, die Dialoge „reizarm“. Da ist etwas dran. Ein Schmunzeln hier, ein Lacher dort in einer überschaubaren Handlung, dazwischen ausufernde Autofahrten, keine Spannung, kaum Action – deutlich zuwenig für einen Kultregisseur wie Tarantino. Zudem setzt seine Liebeserklärung an das im Umbruch befindliche Hollywoodkino der sechziger Jahre mit allerhand Anleihen und Querverweisen auf Filme und Fernsehserien zuviel voraus. Ein Beispiel: Wer nie den Kampfkünstler Bruce Lee in „The Green Hornet“ gesehen hat, mag die Szene, in der er von einem Stuntman verprügelt wird, zwar vordergründig zum Brüllen komisch finden, sie aber kaum in ihrer tieferen Bedeutung zu würdigen wissen. Jedenfalls nimmt „Once Upon a Time in Hollywood“ erst in der zweiten Hälfte an Tempo auf, bevor der Film im letzten Drittel in einen absurden Gewaltexzeß mündet.  


Tarantinos Film spielt 1969 in Los Angeles, dem Jahr, in dem Peter Fonda und Dennis Hopper in dem umgehend Kultstatus erlangten Roadmovie „Easy Rider“ von Kalifornien aus auf ihren umgebauten Harley-Davidson-Choppern aufbrechen, ihre Freiheit zu leben. In diesen Tagen nun tragen Biker-Herzen Trauer, vergangenen Freitag ist Peter „Captain America“ Fonda im Alter von 79 Jahren gestorben. Wie kein anderer Motorradfilm steht „Easy Rider“ bis beute für einen nonkonformistischen Aufbruch aus verkrusteten  Strukturen. In einem großartigen Dialog erklärt der versoffene Anwalt George Hanson (Jack Nicholson) dem Biker Billy: „Sie haben keine Angst vor dir, sie haben Angst vor dem, was du repräsentierst.“ Billy: „Alles was wir für sie repräsentieren, ist nur jemand, der sich nicht die Haare schneidet.“ Hanson: „Oh nein, nein, was du für sie repräsentierst, ist Freiheit.“ Billy: „Was haben sie denn gegen Freiheit, darum dreht sich doch alles.“ Hanson: „Jaja, das ist richtig, darum dreht sich wirklich alles. Aber von Freiheit reden und wirklich frei sein, das ist nicht dasselbe.“