© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/19 / 23. August 2019

Die Hochzeitsparty dauerte vierzig Tage
Sächsisches Barock: Dresden feiert die Vermählung zwischen Kurfürst Friedrich August und Maria Josepha vor dreihundert Jahren
Paul Leonhard

Verspielte Putten, geheimnisvolle Wasser speiende Figuren, ein die Weltkugel tragender Herkules, die lieblichen Klänge des Glockenspiels aus Meißner Porzellan, gepflegter Zierrasen – die barocke Pracht des Zwingers gehört zu den Lieblingsorten der Besucher Dresdens. Derzeit aber sperrt eine weiße Halbkugel den Blick vom Kronentor auf den Theaterplatz hinter der Sempergalerie. Sie ist die größte Zeitmaschine Sachsens, denn wer das „Iglu“ betritt, erfährt nicht nur, warum der Zwinger entstanden ist, sondern auch wie damals gefeiert wurde: Im September1719 zelebrierte hier der legendäre Sachsen-Herrscher August der Starke eine Prachthochzeit für seinen Sohn, Kurfürst Friedrich August, und die habsburgische Kaisertochter Maria Josepha.

Geheiratet hatten diese zwar bereits am 20. August in Wien, aber die Zeremonie bei den sparsamen Habsburgern war dem prunksüchtigen sächsischen Monarchen zu schlicht gewesen. Er wollte es richtig krachen lassen. In Dresden sollte ein Fest gefeiert werden, so prunkvoll, daß ganz Europa davon sprechen sollte, auch noch in 300 Jahren.

Und so lassen es sich Sachsens schwarz-rote Landesregierung und einige Vereine etwas kosten, um den Hochzeitsablauf von damals nachzustellen: Auf der Elbe gibt es am 25. August ein „Lustgondeln anno 1719“ mit nachgebauten historischen Gondeln, weil das Brautpaar seinerzeit von Pirna elbabwärts in die Residenzstadt gefahren war. Im Museum für Sächsische Volkskunst Dresden wird an den großen Bergmannsaufzug zur Fürstenhochzeit erinnert. Das Verkehrsmuseum und das Palais im Großen Garten haben sich unter dem Motto „Unterwegs zur Jahrhunderthochzeit“ beziehungsweise „Kaiserschmarrn – das große Venusfest“ ebenfalls des Ereignisses angenommen. Und für das Residenzschloß wurden seit Monaten in einer französischen Manufaktur vergoldete Silberfäden aufwendig verwebt, damit kostbare Stoffe die historischen Paraderäume schmücken, wenn diese ab September zum ersten Mal seit ihrer Zerstörung 1945 wieder zu besichtigen sind.

Polarisierung zwischen Sachsen und Preußen

Der Besucher kann dann denselben Weg beschreiten, den das Brautpaar 1719 genommen hat: Durch das Grüne Tor an der Hofkirche fuhr die Kutsche auf den Schloßplatz. Dann schritten beide die Englische Treppe herauf in den Ostflügel, querten den Riesensaal und gelangten über das Riesengemach und den Steinernen Saal in ebenjene Paraderäume, in denen sie von August dem Starken und seiner Ehefrau Christiane Eberhardine von Brandenburg-Bayreuth inmitten des Hochadels aus ganz Europa empfangen wurden.

August der Starke hatte die Vermählung seines Sohnes langfristig geplant. Der Sachsen-Herrscher hatte die 1699 in Wien als älteste Tochter Kaiser Joseph I. geborene Maria Josepha von Österreich schon als kleines Mädchen als künftige Frau für seinen drei Jahre älteren Sohn auserkoren. Ein Kennenlernen zwischen ihr und Friedrich August wurde als Abschluß von dessen Kavalierstour durch Europa am Wiener Hof inszeniert.

Die vom 2. September bis 12. Oktober 1719 dauernde „Traumhochzeit des Jahrhunderts“ ist den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, der Staatlichen Schlösserverwaltung und dem Freistaat selbst Anlaß genug, mit einer Vielzahl an Veranstaltungen ebenfalls europaweit für die kulturhistorische Schatzkammer Sachsen und ihre besonders wertvolle Perle Dresden zu werben.

August der Starke war nicht nur ein Glanz, Kunst und erotische Abenteuer liebender Kurfürst, sondern auch ein ehrgeiziger Herrscher. Nachdem es ihm mit viel Geld und diplomatischem Geschick gelungen war, König von Polen zu werden, strebte er für sich oder zumindest seine Nachkommen die römisch-deutsche Kaiserkrone an. Nachdem er nach dem Tod Kaiser Josephs I. dieses Ziel nicht erreichen konnte, sollte die Hochzeit seines Erstgeborenen diese Möglichkeit eröffnen, zumindest aber die Allianz mit Österreich gegen Preußen sichern.

Deutsche Kaiser wurden die Wettiner letztlich zwar nie, aber Friedrich August hatte von seinem Vater glücklicherweise auch die Liebhaberei für Handwerk, Architektur und Kultur geerbt. Er förderte die sächsische Wirtschaft und baute Dresden zu einer wahren Residenzstadt aus.

Es blieb aber die Polarisierung zwischen Sachsen und Preußen. Diese wird insbesondere an einem Ereignis deutlich. Während des Siebenjährigen Krieges beschossen die Brandenburger nicht nur das eingeschlossene Dresden, sondern Preußenkönig Friedrich II. befahl persönlich, 1761 das Lieblingsschloß von Maria Josepha und Friedrich August, Schloß Hubertusburg in Wermsdorf bei Oschatz, einschließlich Glocken und Kupferdächern komplett zu plündern – eine Demonstration von Preußens „Gloria“ gegen Sachsens „Glanz“.

Die nach dem Schutzheiligen der Jäger benannte Hubertusburg war reichlich vier Jahrzehnte zuvor zu einem „sächsischen Versailles“ umgebaut worden. Es war das Hochzeitsgeschenk für die Thronfolger und vor allem als Jagdschloß konzipiert, denn die Österreicherin war eine passionierte Jägerin.

Derzeit ist im Schloß die Sonderschau „Das verlorene sächsische Rokoko“ zu sehen. Neben einigen Kostbarkeiten wie einem Medaillon mit einem Emailbildnis des Kurprinzen von Georg Friedrich Dinglinger, dem einstigen Verlobungsgeschenk, einer königlichen Sänfte und historischen Hirschfängern, ist es vor allem eine virtuelle Ausstellung. Der Besucher erlebt bis zum 6. Oktober in einer multimedialen Inszenierung mittels an die Wände gebeamter Gemälde und Kupferstiche die historische Szenerie.

Ziel der Staatlichen Kunstsammlungen ist es, das riesige, bisher weitgehend ungenutzte Schloßensemble im mittelsächsischen Flachland als zumindest teilweise öffentliches Zentraldepot für seine 15 Sammlungen zu nutzen. Ob sich die 12.000 Quadratmeter dafür eignen, läßt derzeit das Finanzministerium prüfen.

Kritik am Fremdkörper im barocken Ensemble

Die weiße Halbkuppel im Dresdner Zwinger ist bis Ende Juni kommenden Jahres zu besichtigen. Dann werden die Bauarbeiten soweit sein, daß die hier gebotene dreidimensionale Schau über die Festivitäten im Zwinger vor 300 Jahren dauerhaft in die nahe Bogengalerie umziehen kann. Denn wie vieles Neue, selbst Temporäres, haben sich viele Dresdner mit diesem Fremdkörper im barocken Ensemble nicht anfreunden können.

Auch wenn Sachsens Schlösserchef Christian Striefler historisch argumentieren kann, daß genau an dieser Stelle vor 300 Jahre die „Chaoskugel“ gestanden habe, an der das Jupiterfest begann, beklagt beispielsweise Christian Helms, einst Architekt bei den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, in der Sächsischen Zeitung, daß einem angesichts des ästhetisch empfindlichen Ensembles aus Galerien, Brunnen und Pavillons „die Kuppel wie eine Faust ins Gesicht“ schlage.

Weitere Informationen im Internet unter.  www.dresden.de