© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/19 / 23. August 2019

Politik unter Zeitdruck höhlt die Demokratie aus
Entscheiden binnen eines Lidschlags
(dg)

Wieviel Cash ist noch da?“, fragte Bryan Marsal einen Kollegen im September 2008, als er am Tag des Zusammenbruchs der Investmentbank Lehman Brothers den Posten als Sanierungsvorstand übernahm. „Gar nichts“, lautete die Antwort. Und in den ersten 48 Stunden nach der Insolvenz kamen Verluste zwischen 50 und 100 Milliarden Dollar zu diesem „Nichts“ hinzu. Die US-Finanzkrise, die „binnen eines Lidschlags“ die Weltwirtschaftsordnung „auf die Kippe“ stellte, wie der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück es formulierte, ist ein Paradebeispiel dafür, welchen Herausforderungen Politik unter Zeitdruck ausgesetzt ist. Um dieses Phänomen und auch den, wie bei der „Griechenland-“ und „Euro-Rettung“,  erzeugten Zeitdruck zu untersuchen, hat der Münchner Politologe Klaus H. Goetz jetzt ein Forschungsprojekt zum Thema Zeitlichkeit gestartet (Einsichten, 2/2018). Denn es gebe viele Anzeichen dafür, daß solche von „außergewöhnlichen Entwicklungsdynamiken“ kündenden „Turbulenzen“ die Zukunft der Weltpolitik prägen. Demokratische Politik werde immer weniger in der Lage sein, ihre langsamen Entscheidungsrhythmen an die beschleunigten ökonomischen und technologischen Entwicklungen anzupassen. Dies führe zur „Aushöhlung von demokratischen Partizipationsverfahren“ und zu ihrem Legitimationsverlust. 


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