© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/19 / 30. August 2019

Unerwünscht
Landtagswahl Sachsen: CDU-Chef Kretschmer schießt gegen Maaßen / AfD laut Umfragen nur auf Platz zwei
Björn Harms

Nicht jede gutgemeinte Hilfe im Wahlkampf trifft auch auf Gegenliebe. Diese leidvolle Erfahrung hat am Wochenende der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen gemacht. Als CDU-Mitglied hatte er auf Einladung einiger CDU-Kreisverbände mehrere Wahlkampfauftritte in Sachsen absolviert – ausverkaufte Gaststätten und viel Zuspruch inklusive. 

Doch einem gefiel das Schauspiel weniger: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). „Klar ist: Ich habe Herrn Maaßen nicht eingeladen“, beschwerte er sich am Sonntag im Spiegel. Maaßen habe dem Land Sachsen mit seinen Äußerungen zu den vermeintlichen Hetzjagden in Chemnitz vor gut einem Jahr geschadet. „Allein deshalb“, so Kretschmer, „hätte ich ihn nicht eingeladen, aber wir sind ein freies Land.“ 

„Maaßen hat genügend Ärger gemacht“

Maaßen reagierte prompt mit einem Rückzug aus dem Landtagswahlkampf. „Ich wollte meiner Partei in Sachsen helfen. Da meine Unterstützung von Ministerpräsident Kretschmer für nicht nötig erachtet wird, ziehe ich mich schweren Herzens zurück und wünsche der CDU Sachsen zugleich aus vollem Herzen viel Erfolg!“, twitterte der 56jährige. Woraufhin Kretschmer noch einmal nachtrat: „Maaßen hat genügend Ärger gemacht.“ Der Mann habe „keine Bedeutung“, war sich der Ministerpräsident sicher. Tatsächlich aber zeigen die derzeitigen Wahlumfragen ein anderes Bild. Denn die CDU-Werte waren unmittelbar nach den öffentlichkeitswirksamen Auftritten von Maaßen in die Höhe geschnellt.

Auch in der jüngsten Insa-Umfrage für die JF kommt die CDU auf 29 Prozent der Stimmen, die AfD folgt mit 25 Prozent dahinter (siehe Seite 6). Noch im Juni hatten mehrere Umfrageinstitute AfD und CDU gleichermaßen bei rund 25 Prozent gesehen. Doch natürlich sind diese Zahlen mit Vorsicht zu genießen. In Sachsen sind 35 Prozent noch immer unschlüssig, wen oder ob sie am Sonntag wählen. 2014 lag die Wahlbeteiligung, bei 49,2 Prozent, diesmal dürfte sie deutlich höher ausfallen.

Welchen Stellenwert der 1. September hat, zeigte sich am Samstag auch auf den Straßen der Landeshauptstadt. Nach einem Aufruf des „#unteilbar“-Bündnisses demonstrierten in Dresden über 

30.000 Personen gegen „Rassismus und Diskriminierung“ und „für eine offene und freie Gesellschaft“. Um ihre Botschaft zu verkünden, fanden sich die üblichen Verdächtigen ein: Parteienvertreter von der Linkspartei bis zur SPD, Gewerkschaften, Künstler, linke Aktivisten und die evangelische Kirche. Gleichzeitig wurden Transparente der linksextemen Antifa sichtbar, einige Teilnehmer hielten Fahnen mit Hammer und Sichel in die Luft. Eine Rednerin forderte „Alternativen zum kapitalistischen Schweinesystem“ und lieferte ihre Lösung gleich mit: „Länger schlafen und weniger schuften.“

Unfreiwillig komisch wirkte da die Nachfrage einer Reporterin des Neuen Deutschlands an den Vizekanzler Olaf Scholz (SPD), der sich in die vorderen Reihen des Demozuges gemischt hatte. „Demonstrieren Sie hier nicht mit genau den Leuten, die Sie in Hamburg bei G20 niederprügeln lassen haben?“, fragte sie den ehemaligen Bürgermeister der Hansestadt. Scholz brach das Interview unwirsch ab. Die Allianz mit Linksaußen hatte sich bereits vor der Demo angekündigt: Auf der Website des Bündnisses warb unter anderem die vom Verfassungsschutz beobachtete Interventionistische Linke für Busfahrten aus Darmstadt und Köln nach Dresden. Um vor der sächsischen AfD zu warnen, scheint jedes Mittel recht. Nur die CDU wollte da nicht mitspielen. Ministerpräsident Kretschmer versagte seine Teilnahme aufgrund der Antifa-Präsenz.

Kurz zuvor hatte er sich auch in Sachen Regierungsbildung weit aus dem Fenster gelehnt. Nachdem Kretschmer bereits mehrfach eine Koalition mit der AfD und der Linkspartei ausgeschlossen hatte, schlug der 44jährige auch eine mögliche Minderheitsregierung aus. Er könne daran nichts Positives erkennen, sagte er dem Tagesspiegel. Ganz im Gegensatz zum sächsischen FDP-Chef Holger Zastrow, der im MDR für eine Minderheitsregierung warb. „Ich glaube, die Zeit der starren Blöcke und Koalitionen ist vorbei. Die Leute wollen, daß wir über den Tellerrand schauen“, bekräftigte er. 

Unter den von Kretschmer diktierten Bedingungen bliebe ein Dreierbündnis aus CDU, Grünen und SPD übrig, das aber wackelig genug ist: Laut Insa kommt die Kenia-Koalition zusammen auf 48 Prozent. Gerade der SPD, die bei nur acht Prozent liegt, droht eine herbe Wahlschlappe. Auch deshalb warb SPD-Chef Martin Dulig nun kurz vor knapp für das Dreierbündnis. Bislang hatte er einen Koalitionswahlkampf immer abgelehnt. Wahlweise könnte das Bündnis – wenn die FDP in den Landtag einzieht – auf ein Viererbündnis anwachsen. Falls die Hilfe denn gewünscht ist.