© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/19 / 30. August 2019

Zwischen Sand und Kohle
Landtagswahl Brandenburg: Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz eins zwischen SPD und AfD
Peter Möller

Am kommenden Sonntag könnte in Brandenburg eine Ära zu Ende gehen. Seit 1990 wird das Bundesland ununterbrochen von der SPD als stärkster politischer Kraft regiert. Doch diese Position könnten die Sozialdemokraten nun an die AfD verlieren. Umfragen zufolge liefern sich beide Parteien kurz vor der Landtagswahl ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die politische Führung in der Mark (siehe Seite 6). Wie auch in Sachsen hat der sich abzeichnende Erfolg der AfD, die 2014 12,2 Prozent erreicht hatte und nun in den Umfragen bei 21 Prozent liegt, den Wahlkampf geprägt.

Ministerpräsident Dietmar Woidke, der seinem Auftreten nach durchaus das Format eines Landesvaters hat, gelang es in der abgelaufenen Wahlperiode nie, mit seiner Regierung aus der politischen Defensive herauszukommen. Das Bündnis mit der Linkspartei war mehr durch Skandale und Ministerrücktritte als von Erfolgsmeldungen geprägt. Dabei ist die Entwicklung Brandenburgs, das nicht zuletzt auch von der Ausstrahlung der wachsenden Metropole Berlin profitiert, durchaus positiv. Als Hypothek im Wahlkampf erwies sich indes der geplante Kohleausstieg, der vor allem auch das Braunkohlerevier in der Lausitz trifft und Zehntausende Arbeitsplätze in Brandenburg kosten wird.

Zudem bleibt auch die märkische SPD von den fortschreitenden Auflösungserscheinungen der SPD auf Bundesebene nicht verschont. Von den 31,9 Prozent bei der vergangenen Wahl können die Genossen in Brandenburg nur träumen. In den jüngsten Umfragen lag die Partei bei 21 Prozent, auch wenn sich in den vergangenen Wochen ein leichter Aufwärtstrend bemerkbar machte.

Der CDU könnte eine    Zerreißprobe drohen

Die AfD profitierte im Wahlkampf dagegen von der verbreiteten Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien. Zudem macht sich mittlerweile vor allem in den ländlichen Regionen die zunehmende kommunale Verwurzelung der Partei bemerkbar. Die anderen versuchten den Höhenflug der AfD vor allem mit dem Verweis auf frühere Kontakte ihres Spitzenkandidaten Andreas Kalbitz zur rechtsextremistischen Szene zu stoppen. Allem Anschein nach mit mäßigem Erfolg. Daß gleichzeitig das Engagement der Linken-Landtagsabgeordneten Isabelle Vandre für die als extremistisch eingeschätzte Rote Hilfe für SPD und Grüne kein Thema ist, half der AfD, die Vorwürfe abzuwehren.

Die Linkspartei, die Ende August 2018 vom Rücktritt der eigentlich als Spitzenkandidatin vorgesehenen Gesundheitsministerin Diana Golze im Zuge eines Pharmaskandals erschüttert wurde, könnte dennoch im Vergleich mit ihrem Koalitionspartner SPD mit einem blauen Auge davonkommen. Umfragen sehen sie derzeit bei 15 Prozent (2014: 18,6). Großer Gewinner nach der AfD könnten die Grünen werden, die auch in Brandenburg von der Diskussion um den Klimaschutz profitieren. Allerdings zeigte sich am Ende des Wahlkampfes, daß dem Höhenflug der Grünen, der sich vor allem auf den Berliner Speckgürtel und Städte wie Potsdam und Cottbus stützt, Grenzen gesetzt sind. Dennoch dürften die Grünen ihr Ergebnis von 2014 (6,2 Prozent) mindestens verdoppeln und können sich berechtigte Hoffnung auf eine Regierungsbeteiligung in einer Dreierkoalition machen.

Der CDU ist es in den vergangenen vier Jahren nie gelungen, sich überzeugend als bürgerliche Alternative zur rot-roten Landesregierung zu präsentieren. Immer wieder hat sie sich von SPD, Linkspartei und Grünen in die Abwehrfront gegen die AfD einreihen lassen und nicht versucht, Brücken zu bauen und neue Machtoptionen zu erschließen. Bei eher bürgerlichen Wählern kam dieser Kurs, der in der Aussage des blassen CDU-Spitzenkandidaten Ingo Senftleben gipfelte, zur Not auch mit der Linkspartei zu koalieren, nicht gut an. 

Eine solche Koalition dürfte die schon in der Vergangenheit an Konflikten nicht arme Union in Brandenburg vor eine Zerreißprobe stellen. Aber auch so wird die Regierungsbildung nach der Wahl vermutlich für alle Beteiligten eine Herausforderung. Fest steht bereits vor dem Urnengang eigentlich nur, daß keine andere Partei mit der AfD koalieren will und daß es für eine Koalition aus nur zwei Parteien nicht reichen dürfte.

Wenn die AfD tatsächlich stärkste Kraft im neuen Landtag wird, ist die Regierungsbildung allerdings nicht das einzige Problem der anderen Parteien. Denn die AfD könnte dann den Landtagspräsidenten stellen. In der abgelaufenen Legislaturperiode hatte der Landtag – ausgerechnet gegen die Stimmen der AfD – das traditionelle Vorschlagsrecht der stärksten Fraktion für dieses Amt in der Verfassung festgeschrieben. Nach Ansicht von Verfassungsrechtlern könnte das die anderen vor die politisch knifflige Frage stellen, entweder einen Abgeordneten der AfD zum Präsidenten zu wählen oder aber die Arbeitsfähigkeit des neu gewählten Parlamentes zu gefährden.