© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/19 / 30. August 2019

Offshore-Wind treibt die Preise weiter nach oben
EEG-Prognose: Deutsche Verbraucher müssen kommendes Jahr erneut eine höhere Ökostrom-Umlage zahlen / 24 Milliarden Euro für neue Hochspannungstrassen
Marc Schmidt

Würde man die Energieversorgung in einem unbesiedelten Gebiet neu und ohne Vorgaben planen, würden Wind- und Solarenergie mit Blick auf langfristige Erzeugerpreise (Franz Alt: „Die Sonne schickt uns keine Rechnung!“) wie Folgekosten eine stärkere Rolle einnehmen. Die „Grünstrom“-Implementierung in Deutschland kann hingegen angesichts von 30 Cent pro Kilowattstunde (kWh) – dem höchsten Endverbraucherpreis in Europa – getrost als gescheitert betrachtet werden.

Dies ist die Folge zahlreicher politischer Fehler, auch mit Blick auf die Offshore-Windenergie. Laut dem Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme (ISE) sind große Windparks in Nord- und Ostsee zwar ertragreich, aber der Aufwand für Planung, Errichtung, Betrieb und Rückbau ist signifikant höher als bei Projekten im Binnenland: Die Stromgestehungskosten sind mit 7,50 bis 13,8 Cent pro kWh etwa doppelt so hoch wie bei Onshore-Parks oder bei der heimischen Braunkohleverstromung. 

Daher werden Offshore-Windparks im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) milliardenschwer gefördert. In den ersten zwölf Jahren garantiert das EEG dem Betreiber neuer Anlagen eine Vergütung von 15,4 Cent pro kWh. Das sind 11 Cent über dem aktuellen Marktpreis an der Strombörse EEX bzw. ein Aufschlag von 250 Prozent. Die EEG-Umlage ist die Differenz zwischen dem Markt- und dem Garantiepreis, den die Kunden bezahlen.

Stillstandsprämien und teurer Netzausbau

2004 betrug die EEG-Umlage 0,58 Cent pro kWh, derzeit sind es 6,405 Cent (Einnahmen 2017: 24,6 Milliarden Euro). 2020 könnten es laut Agora Energiewende zwischen 6,5 und 6,7 Cent sein. Sie wird von allen privaten und gewerblichen Stromverbrauchern voll gezahlt – außer sie schafften es durch gute Lobbyarbeit auf die umstrittene Liste „Besondere Ausgleichsregelung“ des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Von diesem Betrag fließen 1,132 Cent pro kWh an die Anlagenbetreiber der Offshorewindparks, obwohl diese Ende 2018 nur 5,5 Prozent der installierten Leistung der Ökoenergieanlagen ausmachten. Die Gesamtkosten liegen allerdings noch weit höher.

Dazu zählen etwa Stillstandsprämien. Sie werden fällig, wenn Strom produziert, aber nicht verbraucht wird oder die Windräder noch nicht angeschlossen sind. Insgesamt kostete der ungenutzte Ökostrom aller Produktionsarten 2018 rund 610 Millionen. Da in diesem Jahr zusätzliche Offshore-Windräder fertiggestellt werden, aber nicht ans Netz gehen, klettert allein dieser Erstattungsbetrag auf 144 Millionen Euro.

Mit „Stromautobahnen“ soll die Energie aber künftig aus den 17 geplanten und realisierten deutschen Offshore-Windparks nach Süddeutschland fließen. Das könnte 24 Milliarden Euro kosten. Der gesamte Netzausbau summiert sich laut Netzbetreiber Tennet bis 2030 auf 52 Milliarden Euro. Finanziert wird das über die Netzentgelte (etwa neun Cent pro kWh). 2011 lagen die Netzentgelte bei 5,75 Cent.

Die im Bau befindlichen und die geplanten Stromtrassen werden aber klagebedingt frühestens 2025 und damit deutlich später als geplant fertiggestellt. Sobald in Deutschland Ende 2022 die letzten Kernkraftwerke abgeschaltet werden, stehen in Bayern acht Gigawatt (GW) gesicherte Kraftwerksleistung Spitzenbedarfen von 12,7 GW gegenüber. Die fehlenden 4,7 GW entsprechen der Leistung von vier bis fünf mittleren AKW oder Kohlekraftwerken.

Dieser Strombedarf läßt sich durch Windenergie nicht zuverlässig decken. Wird der Strom knapp, kommt es nicht sofort zum Blackout, zunächst steigt der Preis an der Strombörse EEX. Steigende Börsenpreise sind als indirekte Folge sowohl des forcierten Ausbaus der Windenergie als auch durch das Vorhalten konventioneller Reservekapazitäten bei Gas- und Kohlekraftwerken zu erwarten. Da diese auch in Zukunft hinter dem Vorrang des Ökostroms in der Produktion zurückstehen, sinkt die jährliche Laufzeit und Produktionsmenge der konventionellen Kraftwerke.

Subventionen entwerten geförderte Anlagen

Die Menge der verkauften kWh muß allerdings die Kosten für Betrieb und Wartung, insbesondere aber die Energieträgerverbrauchskosten eines Stand-by-Betriebs tragen, was die Börsen- und Verbraucherpreise ebenso treibt wie die nach den Landtagswahlen geplante CO2-Steuer. Die notwendigen Reservekapazitäten sind als Preistreiber nicht nur ein Problem der Offshore-Windenergie, sondern aller „ökologischen“ Produktionsformen allgemein.

Der Bau neuer Anlagen garantiert keine 100prozentige Stromproduktion, und die Menge des produzierten Stroms ist zwar durchschnittlich kalkulierbar, aber schwankend („Dunkelflaute“). Diese fehlende Grundlastfähigkeit ist mit Blick auf Menge und Netzstabilität auch durch einen weiteren Zubau von Ökostromanlagen nicht zu beseitigen. Sofern sich Deutschland also nicht auf den Import von Graustrom aus den europäischen Nachbarländern verlassen will, müssen mangels Standorten für Speicher in Deutschland konventionelle Kraftwerke vorgehalten werden.

Im Ergebnis ist der Ausbau insbesondere der massiv subventionierten Offshore-Windenergie in Deutschland keine Erfolgsgeschichte, da er in eine bestehende, stark industrialisierte Volkswirtschaft erfolgen soll. Die Subventionen dieses Bereiches entwerten zudem bereits geförderte Produktionsanlagen, deren aktuelle Produktionskosten dank erfolgter Abschreibungen auf den Grenzkosten für Material, Arbeit, Wartung und Nachrüstung liegen. Dies kann eine neue Windkraftanlage, Offshore wie Onshore, wirtschaftlich nicht leisten. Die durch falsche Anreize in diesen Bereich gelenkten Investitionsmittel hätten volkswirtschaftlich wie ökologisch besser eingesetzt werden können.

EEG-Prognose von Agora Energiewende:

 agora-energiewende.de

 www.ise.fraunhofer.de