© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/19 / 30. August 2019

CD-Kritik: Robert Schumann
Liederreihen
Jens Knorr

Der Klaviersatz der Lieder Robert Schumanns liegt nicht leicht in den Händen. Er stützt, verstärkt die Gesangsstimme, löst sie aus oder gibt ihr Leine, als wolle er ihr nur noch deutlicher ihre Abhängigkeit vor Ohren führen. Leif Ove Andsnes als Liedpianist stellt unaufdringlich und doch dringlich ein ums andere Mal die Liedgestalt des Liederkreises op. 24 und der Reihe von Kernerliedern op. 35 her.

Dazu singt Matthias Goerne in der ihm eigenen Manier, Wörter zu illustrieren, ihnen Gefühlswerte aufzusetzen, ohne das dem Komponisten eigene Verhältnis von Text, Gesangs- und Klavierstimme, die gemeinsame poetische Idee, ganz fassen zu können.

Im Vergleich zu seiner Einspielung der Kernerlieder von 1998 gibt sich Goerne prätentiöser und berechnender, kaum mehr wagemutig. Er monologisiert die Lieder durch, eines nach dem andern, mit übermächtiger Stimme erstickt er allen Dialog. Die Textur seines Baritons ist nunmehr mit leichten Rissen durchzogen, eingedickt die Brust-, ausgedünnt die Kopfstimme, beide zunehmend entmischt. 

Die Liedzyklen sind in dem Jahr 1840 entstanden, da Robert sich die Hochzeit mit Clara Wieck erkämpfen mußte, dem „Liederjahr“. Goerne läßt einen patriarchalen Führer hören, keinen 30jährigen Liebenden. Andsnes‘ Spiel erhellt die Lieder, Goernes Singen erhellt sich selbst.

Robert Schumann Liederkreis op. 24 Kernerlieder Harmonia mundi 2019  www.matthiasgoerne.com  www.andsnes.com