© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/19 / 30. August 2019

Wenn aus Feen Femen werden
Dekonstruktion von Rollenklischees: Klassische Helden sind in „Playmobil – Der Film“ zum Scheitern verurteilt
Dietmar Mehrens

Du kannst es, du verdienst es“, singt die gute Fee, der in der deutschen Synchronisation Schlagersängerin Beatrice Egli ihre Stimme leiht. Aber ist es noch die gute Fee, die da mit so sanfter Stimme singt, oder schon – man müßte dazu ja nur einen einzigen Buchstaben ergänzen – die gute Feme? Femen, so nennt man seit ein paar Jahren besonders exponierwillige Kämpferinnen für Frauenrechte. Daß „Playmobil – Der Film“ solche Assoziationen aufkommen läßt, offenbart das Dilemma, in das sich die gesamte westliche Filmindustrie durch ihre Ideologielastigkeit manövriert hat: Der Zuschauer wird immer häufiger das Gefühl nicht mehr los, sich in einem Pädagogikseminar zu befinden.

Zwar ist „Playmobil“ keine Disney-Produktion, aber eine Seelenbruderschaft liegt auf der Hand, wenn, wie in diesem Fall, der Hauptverantwortliche den Disney-Studios 17 Jahre lang in verschiedenen Funktionen treue Dienste geleistet hat. Als Animationschef wirkte Lino DiSalvo bereits 2013 bei Disneys „Eiskönigin – Völlig unverfroren“ an prominenter Position mit. Dabei hat er natürlich gelernt, worauf es ankommt, wenn man Filme erfolgreich auf dem umkämpften Markt plazieren will.

Harmlos wie eine der Spielfiguren, die viele aus ihrer Kindheit kennen, beginnt alles: Marla ist jung, hat ihren Schulabschluß in der Tasche und freut sich auf ihr Leben. Die ganze Welt scheint ihr offenzustehen, und sie hat auch schon Pläne. Ihr Motto ist das der Flugpionierin Amelia Earhart, einer Art weiblichem Charles Lindbergh (und natürlich auch frauenrechtsrelevant): „Abenteuer lohnt sich um seiner selbst willen.“

Doch Marlas selbstbewußte Aufbruchsstimmung wird jäh gebremst: Zwei Polizisten stehen vor der Tür und teilen ihr mit, daß ihre Eltern bei einem Unfall ums Leben gekommen sind. Das schreckliche Ereignis verwandelt die unternehmungslustige Träumerin in eine desillusionierte Realistin und führt zur Entfremdung von ihrem kleinen Bruder Charlie.

Von männlichen Helden ist wenig zu erwarten

Dann die Wende: Aus der realen, mit Schauspielern aus Fleisch und Blut und nicht aus Plastik besetzten Welt purzeln Marla und Charlie in bester Alice-im-Wunderland-Manier ins „Playmobil“-Land, und es beginnt eine Heldenreise durch ein kunterbuntes Universum nebeneinander liegender Themenparks: Wikingerlager, Westernstadt, Geheimdienstzentrale, Dinosaurier-Park, Märchenwald, das antike Rom. Und alle sind sie bevölkert von Figuren aus dem Playmobil-Kosmos. Da bilden Marla und Charlie selbstverständlich keine Ausnahme: Auch sie sind jetzt Playmobil!

Man ahnt, was nun passieren muß: Marla und Charlie werden getrennt und Marla muß ihren kleinen Bruder wiederfinden. Es beginnt eine atemlose Jagd, die von einem Themenpark zum nächsten führt. Dabei fällt vor allem auf, wie wenig von klassischen männlichen Helden zu erwarten ist: Der 007-Verschnitt Rex Dasher (gesprochen von Matthias Schweighöfer) wird zwar bei jedem Auftritt von einer Angeber-Hymne begleitet, läßt sich dann aber enttäuschend leicht entwaffnen.

Als Kontrastfigur zu dem gescheiterten Superagenten fungiert der Imbißwageninhaber Del. Er trägt Sandalen, Vollbart und ein dazu passendes potthäßliches Hippie-Hemd. Die deutsche Dialogregie stattete den Antihelden kongenial mit der Stimme von Christian Ulmen aus, der im deutschen Film häufig den testosteronarmen Anti-Macho verkörpert. Mehr Dekonstruktion von Männlichkeit geht nicht. In der Playmobil-Welt sind Marla und Charlie die Helden – eine junge Frau und ein Kind.

Marla findet schließlich heraus, daß Charlie von Imperator Maximus, der Playmobil-Ausgabe von Peter Ustinovs Nero aus „Quo vadis?“, entführt wurde. Er soll in der Arena des Playmobil-Kolosseums als Gladiator gegen einen Dino aus dem Playmobil-„Jurassic Park“ antreten. Bei der Entscheidungsschlacht am Schluß darf Hippie Del mit seiner fahrenden Imbißbude zwar an einem kritischen Punkt eingreifen, aber das finale Duell zu entscheiden bleibt Marla vorbehalten, die sich die nötige Zurüstung kurz zuvor im Zauberwald bei der guten Fe(m)e abgeholt hat.

Wenn schließlich magische Heuballen, also „Gras“, dem vorher noch höchst aggressiven Tyrannosaurus buchstäblich Flügel verleihen und er abhebt wie ein mit Helium aufgeblasenes Schwimmtier, spätestens dann ist klar: Hier geht es nicht nur um einen harmlosen Spaß für Kinder. Und vielleicht versteht man an dieser Stelle als Zuschauer auch gar keinen Spaß mehr, insbesondere nicht, wenn man selbst Kinder hat und von diesen in den Film mitgeschleppt wurde, weil das bestimmt lustig wird.

Der Film ist amüsant, aber nicht witzig

Probleme, die sich im Drogenrausch in Wohlgefallen auflösen (Marihuana verleiht Flügel), eine feministisch gestählte Heldin, die es auch ohne Mann kann, Machos, Superagenten, Tyrannen und andere Dinosaurier aus der Welt von gestern domestiziert, Kinder an der Macht und Männer mit Schürze am Herd, die mal kurz aushelfen, wenn Not an der Frau ist: soll hier in einer Modellwelt aus Plastikfiguren der totale Triumph von Achtundsechziger-Idealen vorgeführt werden?

Man muß nicht unterstellen, daß es den Produzenten um bewußte Manipulation ging, aber im Fahrwasser der Gleichheitsideologen schippert der „Playmobil“-Film auf jeden Fall. Da kann es dann auch mal zur Dekonstruktion von Geschlechterrollen in einem Trickfilm kommen, auch wenn es anfangs vielleicht nur darum ging, ein Animationsabenteuer so zu inszenieren, daß auch die Großen ihren Spaß haben. 

Das ist auch gelungen. Schließlich jagt ein Themenpark den nächsten und die zahlreichen Filmzitate, die sich daraus ergeben, Anspielungen unter anderem auf „Krieg der Sterne“, „Mission: Impossible“ und „Die Tribute von Panem“, sind ein Vergnügen für film-erfahrene Zuschauer. Echte Lacher hingegen erzeugt der Film kaum. Das soll nicht heißen, daß er nicht amüsant wäre. Er ist nur nicht witzig. Ihm fehlt Esprit. Vielleicht waren die Autoren von ihrer Sache ein bißchen zu überzeugt. In solchen Fällen fehlt naturgemäß die Distanz zu eben dieser Sache, die die Grundvoraussetzung für Ironie ist.

Das allerdings muß keinen Zuschauer daran hindern, sich über die gute Fee, die in Wahrheit eine gute Feme ist, oder den Weichling, der im Kochen seine wahre Bestimmung findet, königlich zu amüsieren. Denn wenn engagierte Menschen sich anstrengen, ihr Anliegen besonders korrekt und ideologiekonform in Kunst zu überführen (wie etwa im Sozialistischen Realismus), wird daraus ja oft eine unfreiwillig komische Angelegenheit. Zwar macht Lachen an den falschen Stellen mitunter einsam. Aber es befreit trotzdem.

Kinostart am 29. August 2019