© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/19 / 30. August 2019

Eine Fernsehlegende kämpft mit sinkenden Quoten
Wenn Harald Schmidt eine Frau wäre: Emma Thompson brilliert als TV-Modratorin in dem Film „Late Night – Die Show ihres Lebens“
Dietmar Mehrens

Geschwätz zu später Stunde, das ist, wie schon der englische Titel verrät, Rezept und Programm sogenannter „Late Night Shows“. Wer jemals eine Ausgabe der „Harald-Schmidt-Show“ gesehen hat und wessen Vorstellung ausreicht, um sich Harald Schmidt als Frau vorzustellen, der kann sich ein Bild machen von Katherine Newbury (Emma Thompson), der Hauptfigur von „Late Night“. Wie der Untertitel des Films „Die Show ihres Lebens“  erkennen läßt, ist Katherine nicht nur das Aushängeschild der Talk-Sendung, die Show ist – und das inzwischen seit rund dreißig Jahren – ihr Leben.

Kein Wunder also, daß dieses jäh aus den Fugen gerät, als die Programmchefin Caroline Morton (Amy Ryan) Katherine eröffnet, daß sie als Aushängeschild des Senders zu alt sei und wegen sinkender Quoten durch einen jüngeren Kollegen ersetzt werden soll. Natürlich möchte sich die Late-Night-Legende nicht widerstandslos geschlagen geben und wappnet sich mit ihrer schärfsten Waffe, ihrer Zunge, zum Kampf gegen die unliebsame Entmündigung.

Politisch unkorrekte Sticheleien

Rasch erkennt die als stutenbissige Frauenhasserin geltende Moderatorin das Potential der jungen Nachwuchsautorin Molly, die neu in ihre Autoren-Mannschaft gekommen ist: Als frische, unverbrauchte „Quoten-Schwarze“ zu den ausnahmslos weißen, männlichen Autoren gestoßen und mithin frei von der notorischen Betriebsblindheit, identifiziert Molly rasch die Schwächen des angejahrten TV-Formats. Als Katherines rechte Hand soll sie nun die Quoten wieder nach oben treiben. Das ist auch dringend nötig, denn die herablassende Art, mit der sich Katherine in der jüngsten Sendung über Youtube-Sternchen Mimi Mismatch mokiert hat, kam im Netz, dem neuen Quotenmeßgerät, gar nicht gut an.

Im Kern handelt es sich bei „Late Night“ um einen Neuaufguß von „Der Teufel trägt Prada“ mit Meryl Streep und Anne Hathaway, verlagert von der Welt des Modehochglanzmagazins in die des Unterhaltungsfernsehens. Und so wie die Modewelt-Satire durch das Charisma und die Präsenz von Meryl Streep und die ihr auf den Leib geschriebenen Bonmots aus dem Komödiendurchschnitt herausgehoben wurde, lebt auch „Late Night“ vor allem von seiner Hauptdarstellerin (Emma Thompson).

Daß „Late-Night-Shows“ immer auch komödiantische Elemente enthalten, nutzt der Film zudem geschickt, um Gastgeberin Katherine und ihre Autoren eine Reihe von Witzen vom Stapel zu lassen, deren Pointen zünden wie ein PS-starker Motor.

Der Film nimmt sich dabei sogar die Freiheit, die im Fernsehmilieu politisch erwünschte Gleichberechtigungs-, Minderheits- und Diversitätsbesessenheit auf die Schippe zu nehmen. Sticheleien gegen #MeToo sind kein Tabu, und wenn Molly behauptet, als indische Frau mit schwarzer Haut sei sie quasi unkündbar, ist das ein ironischer Seitenhieb auf sittliche Überregulierung, den jeder sofort versteht.

Auch die Besetzung der Molly-Rolle durch die vierzigjährige US-Schauspielerin Mindy Kaling ist im Grunde eine mit Moral aufgeladene Provokation: Kaling ist keine gertenschlanke Modeschönheit wie Anne Hathaway; sie ist indischstämmig, sichtlich übergewichtig und eine Frau im reiferen Alter. Wenn sie anstelle einer Margot Robbie, Emma Stone oder Lily Collins die weibliche Hauptrolle in einer Hollywood-Komödie spielen will, muß sie sie sich schon selbst auf den Leib schreiben: Kaling ist auch Produzentin und Autorin von „Late Night“.

Kinostart am 29. August 2019