© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/19 / 30. August 2019

„Die hat’s nie gegeben“
Neue Fake-Vorwürfe gegen den „Spiegel“: Das Nachrichtenmagazin soll eine SPD-Telefonkonferenz erfunden haben
Friedrich Hausmann

Immer wenn die Verantwortlichen beim Spiegel hoffen, sie könnten sich von der großen Glaubwürdigkeitskrise erholen, kommt ein neuer Skandal ans Licht. Nachdem Claas Relotius jahrelang unbemerkt gefälschte und erfundene Geschichten veröffentlichen konnte, erschüttern nun zwei neue Eklats das selbsternannte „Sturmgeschütz der Demokratie“.

Die aktuelle SPD-Spitze hält dem Nachrichtenmagazin vor, rund um die Kandidatur von Vizekanzler Olaf Scholz zum Vorsitz eine Lüge verbreitet zu haben. Schon zuvor hatte die Welt am Sonntag berichtet, daß die Enthüllung des Spiegel zu dem angeblich verschobenen Fußball-WM-Spiel zwischen Kamerun und Kroatien eine Ente war.

Aktueller Vorwurf: Der Spiegel erfand eine Telefonkonferenz, in der Scholz den drei kommissarischen SPD-Chefs – Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel – verkündet habe, für den Spitzenposten der Partei anzutreten. Dabei soll Scholz laut Magazin gesagt haben: „Ich bin bereit anzutreten, wenn ihr das wollt.“ Die Erzählung klingt so, als habe der Führungszirkel die Kandidatur des Finanzministers ausgekungelt. Schäfer-Gümbel bestritt die Darstellung: „Wir erleben es regelmäßig, daß es Meldungen gibt, die mit der Realität nichts zu tun haben. Beispielsweise diese angebliche Telefonkonferenz in der vergangenen Woche zwischen uns drei und Olaf Scholz: Die hat’s nie gegeben.“ Die Redaktion hatte die Geschichte als Eilmeldung an alle anderen Medien weitergegeben, die sie sofort verbreiteten – im offenkundigen Glauben, der Spiegel sei eine seriöse Quelle. Ebenfalls pikant: Das angebliche Scholz-Zitat schaffte es sogar in die Überschrift der Meldung. Wenn es aber die Telefonkonferenz nicht gab, kann Scholz das niemals gesagt haben. Durch das Nachrichtenmagazin steht nun erneut die gesamte Zunft am Pranger. 

Aber die wehrt sich. Bild schreibt das böse Wort „erfunden“ im Zusammenhang mit dem Spiegel sogar in die Schlagzeile, und die Süddeutsche Zeitung stellt fest, der Vorwurf „wiegt schwer“ und sei nach der Relotius-Affäre „besonders heikel“ für das Blatt. In die Enge getrieben, sah sich der Spiegel veranlaßt zu erklären, er habe für seine Darstellung „zwei voneinander unabhängige, vertrauenswürdige Quellen“. Allerdings nannte das Blatt deren Namen nicht.