© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/19 / 30. August 2019

Von der Masse absetzen
Herrenmode: Der Blogger Vintagebursche feiert die Garderobe der 1920er jahre
Alexander Graf

Seit der Free-TV-Premiere der Serie „Babylon Berlin“ im September 2018 steigt das Interesse an der Mode der 1920er Jahre hierzulande an. Niklas Hoppe, der sich unter dem Namen Vintagebursche auf seinem Blog und in den sozialen Medien der Herrenmode dieser Dekade widmet, kann sich noch gut an den Einfluß der Serie erinnern. „Ich kann ziemlich genau nachverfolgen, daß sich die Zugriffszahlen auf meinem Blog nach dieser Premiere fast verdoppelt haben. Aus meiner Warte ist auch das Interesse an 20er-Jahre-Partys und ähnlichem dadurch deutlich gestiegen“, sagt er der JUNGEN FREIHEIT. Aber auch andere Serien wie „Boardwalk Empire“ über die Prohibitionszeit in den USA lenkten die Aufmerksamkeit wieder auf den zeitgenössischen Kleidungsstil. 

Hoppe selbst interessierte sich schon vor den Serien für das Jahrzehnt zwischen Erstem Weltkrieg und Weltwirtschaftskrise. Die Literatur des Horror-Autors H. P. Lovecraft weckte seine Neugier auf jene Epoche. Dabei stellte er fest, daß das Modeverständnis dieser Zeit mit seinen schlanken Schnitten zu seinem eigenen Körperverständnis am besten paßte. Den Entschluß, als Modeblogger aktiv zu werden, faßte er, nachdem er eine Spiegelreflexkamera seines Vaters erbte. Quasi als „Auffangbecken“ für die Fotos erstellte er eine Facebook-Seite, „das burschenschaftliche Pendant zu Bibi’s Beauty Palace“. 

Schnell fanden sich Abonnenten, die ihrerseits Fragen zur Mode stellten. Der Weg als Stilratgeber war somit vorgezeichnet. Mittlerweile folgen dem Vintageburschen auf Facebook rund 5.400 Abonnenten und auf Instagram über 19.300 Nutzer. Sein Blog wird laut eigener Aussage monatlich rund 40.000mal aufgerufen. 

Tips zu Anzug, Hemd und Schuhen

Neben zahlreichen Bildern seiner Outfits gibt Hoppe seinen Lesern auch jede Menge Stiltips zu den Themen Anzug, Hemd und Schuhe. Außerdem steht er auch mit Rat zur Seite, wenn es darum geht, wie der geneigte Modefan an die richtige Kleidung kommt. Falls jemand gleich selbst mit Nadel und Faden zur Tat schreiten will, um sich beispielsweise eine Knickerbocker zu schneidern; auch da hilft Hoppe weiter. Zur Zeit arbeitet er gemeinsam mit dem Schneider Sebastian Hoofs an einem Buch mit dem programmatischen Titel „Vintage Herrenmode selber nähen“. 

Wer seinem eigenen handwerklichen Geschick jedoch mißtraut, dem empfiehlt Hoppe als „Minimaleinstieg“ einen dreiteiligen, schlank geschnittenen Anzug mit hohem Bund und kurzer Weste zu kaufen. Entscheidend sei dabei auch die Materialwahl. Wollflanell und Tweed seien besonders gut geeignet. Der Experte warnt ausdrücklich davor, sich zum Kauf von dünnen Businessstoffen hinreißen zu lassen oder „eine H&M-Hüfthose mit Clip-Hosenträgern und vorgebundener Schleife zu kombinieren“. Der Träger dieser Kombination sei besser unter Karnevalisten aufgehoben als unter Freunden der Herrenmode des frühen 20. Jahrhunderts. 

Ähnlich deutlich ist seine Antwort auf die leidige Frage unserer Tage, ob man Turnschuhe zum Anzug tragen kann. „Ja. Aber nur, wenn man noch nicht volljährig ist oder wenn man mitten in der Midlife-Crisis steckt“, läßt er seine Blog-Leser wissen. 

Zwar entspricht die heutige Mode nicht seinem persönlichen Geschmack, doch bietet dieser Umstand auch Chancen für modebewußte Herren. „Es ist noch nie so einfach gewesen, sich mit klassischer Herrenmode von der breiten Masse abzusetzen und Gleichgesinnte auf den ersten Blick zu erkennen.“ 

Wer nach dem Stöbern in den Galerien und den Blogeinträgen selbst modisch in die wilden zwanziger Jahre zurückreisen will, für den hat Hoppe noch einen Rat: „Im allgemeinen sollte man sich zuerst intensiv mit der Materie beschäftigen, bevor man Geld dafür ausgibt.“ Der Blog des Vintageburschen kann dabei mehr als nur eine Einstiegshilfe sein.