© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  KG  www.jungefreiheit.de 37/19 / 06. September 2019

Fälschung der Woche
Schreiben – und nicht bleiben
Christian Vollradt

Wer als Journalist geneigt ist, das redaktionsinterne Phrasenschwein zu füttern, der sollte in einem Bericht über ein noch so kleines Skandälchen unbedingt die Nachsilbe „-gate“ verwenden. Denn so bläht man in Erinnerung an den großen Watergate-Skandal, der US-Präsident Richard Nixon 1974 zu Fall brachte, die Geschichte mühelos künstlich auf. Nun denn: Die Grünen in der schleswig-holsteinischen Kleinstadt Schwentinental bei Kiel wurden von einem Leserbrief-Gate erschüttert. Die beiden Lokalpolitiker Dennis Mihlan und Andreas Müller schrieben unter den Pseudonymen „Walter Stängel“ und „Bernd Seiler“ lauter Leserbriefe an die Kieler Nachrichten (KN), in denen sie über den politischen Gegner herzogen. Wohl wissend, daß die KN von Politikern eigentlich keine Leserbriefe abdrucken. Die Redakteure des Blattes wurden stutzig, weil die E-Mails von „Stängel“ und „Seiler“ (entsprechende Scheinadressen hatten die Absender eingerichtet) so verdächtig oft den Pressemitteilungen der Grünen Mihlan und Müller ähnelten. Damit konfrontiert, stritten die beiden erst alles ab, gaben es dann jedoch mit Bedauern zu – und mußten auch noch ihre Posten in den Ausschüssen der Stadtvertretung räumen. Ihre Mandate indes wollen sie behalten. Apropos: Kollegen, kann mir bitte mal jemand fünf Euro leihen – fürs Phrasenschwein?