© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  KG  www.jungefreiheit.de 37/19 / 06. September 2019

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Ausflug nach Torgau an der Elbe in Nordsachsen. Auf dem Programm steht die Besichtigung der historischen Stadtlandschaft. „Torgaus Bauten übertreffen an Schönheit alle aus der Antike“, soll schon Martin  Luther geschwärmt haben. Tatsächlich beeindrucken uns der Marktplatz mit dem Renaissance-Rathaus und den umliegenden prächtigen Patrizierhäusern ebenso wie Schloß Hartenfels, einst Residenz der ernestinischen Linie der Wettiner. Natürlich steigen wir schweißtreibend die Wendeltreppe des Hausmannsturms bis zur Aussichtsplattform empor, um mit einem phantastischen Rundumblick über die Dächer von Torgau und die Elb­land­schaft belohnt zu werden. Zu dem größten vollständig erhaltenen Schloß der Frührenaissance in Deutschland gehört im Seitenflügel der erste protestantische Kirchenneubau nach der Reformation. Die Torgauer Schloßkapelle wurde nach Martin Luthers Vorgaben errichtet und vom Reformator im Oktober 1544 höchstpersönlich mit einer Predigt geweiht. Doch nicht nur Luthers Leben und Wirken ist eng mit Torgau verbunden. 1552 floh seine Witwe Katharina von Bora mit ihren Kindern aus Wittenberg vor der Pest dorthin, wo sie wenige Wochen darauf verstarb. In ihrem Wohn- und Sterbehaus erinnert heute eine Gedenkstätte an die „berühmteste Pfarrfrau der Welt“. Ihre Grabstelle befindet sich in der Torgauer Stadtkirche St. Marien. 


Wecker, der (Substantiv, maskulin), Bedeutung: Uhr, die immer zu früh klingelt und damit jede Kreativität tagsüber von vornherein verhindert.


Schloß Hartenfels ist auch in die Musikhistorie eingegangen: Im April 1627 wurde hier im Komödiensaal die erste deutschsprachige Oper aufgeführt, Heinrich Schütz’ „Daphne“. Der aus dem thüringischen Köstritz stammende Komponist des Frühbarocks wirkte als Kurfürstlich-Sächsischer Hofkapellmeister in Dresden. Für die Hochzeit einer Tochter des Kurfürsten, Prinzessin Sophie Eleonore von Sachsen, schuf er auf ein von dem Dichter Martin Opitz übertragenes Libretto von Ottavio Rinuccini die „Tragicomoedia von der Dafne“. Die Originalkomposition gilt allerdings als verschollen. Auf dem Schloß im Flügel D, dem Albrechtsbau, erinnert lediglich ein unscheinbares Schild am heutigen Heinrich-Schütz-Saal an das Ereignis. Dort kann dann auch das im Zuge des 500jährigen Reformationsjubiläums entstandene großformatige Gemälde „Weihe der Schloßkapelle zu Torgau im Oktober 1544“ des im Stil der Alten Meister malenden Künstlers Volker Pohlenz besichtigt werden.