© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/19 / 13. September 2019

Ländersache: Brandenburg
„… und weiche keinen Finger breit“
Martina Meckelein

Immer zur halben Stunde läutete das Glockenspiel: „Üb immer Treu und Redlichkeit“. So hatte es sich Königin Luise von Preußen gewünscht. 1945 läuteten die Glocken der Garnisonkirche in Potsdam zum letzten Mal. Dann schmolzen sie im Feuersturm. 1968 sprengte die DDR die Kirche. Erst 1991 wurde ein neues Glockenspiel wiedererrichtet – und läutete. Bis zur vergangenen Woche. Denn im Internet wird sein Abriß gefordert.

Sie gilt als eines der Hauptwerke des Preußischen Barocks. Die Potsdamer Garnisonkirche. Bund, Kirche und private Spender hatten sich auf die Finanzierung des Wiederaufbaues wenigstens des Turmes geeinigt, 2017 den Grundstein gelegt. Der Bund hat sogar die  Anschubfinanzierung des Wiederaufbaus von 12 auf 18 Millionen Euro aufgestockt.

Doch Mitte August 2019 startete Sara Krieg aus Potsdam im Internet die Petition: „Keine Steuergelder für den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche.“ Gerichtet ist sie an Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Krieg behauptet, daß das Projekt „auf eine Initiative von rechtsextremen Militärs“ zurückgehe. Ein harscher Ton, der sich auch in den Kommentaren der Unterstützer niederschlägt. Von „Nazikirche“ ist die Rede.

Zur selben Zeit startete eine weitere Petition. Adressaten sind wieder Grütters und Bundespräsident Steinmeier. Ihr Titel: „Wiederaufbau der Garnisonkirche Potsdam: Bruch statt Kontinuität – Notwendig ist ein Lernort anstelle eines Identifikationsorts.“ Sie beinhaltet drei Forderungen des Architekturtheoretikers Philipp Oswalt (JF 35/19). Der Abriß des Glockenspiels sei erforderlich, da der Nachbau vom „rechtsradikalen Oberstleutnant der Bundeswehr Max Klaar“ der Stadt geschenkt wurde. Eine Reihe „revisionistischer, rechtsradikaler und militaristischer Widmungen“ seien bis heute an den Glocken erhalten, zum Beispiel: „suum cuique“ (Jedem das Seine). Der antike Rechtsgrundsatz steht über dem Eingang des Konzentrationslagers Buchenwald, war Motto des preußischen Schwarzen Adlerordens und ist noch heute Wahlspruch der Feldjäger.

Oswalt ist öfter Gegner, sei es des Wiederaufbaus des Berliner Stadtschlosses oder des Ausbaus der Startbahn West in Frankfurt. Doch mit der Garnisonkirche ist es ihm wirklich ernst: Trat er doch unter anderem deshalb aus der Kirche aus. Kritik erntet Oswalt für seine Forderung nach Änderung der Trägerschaft. Er begründet sie in einem weiten historischen Bogen mit der „unheilvollen Allianz zwischen Kirche, Militär und autokratischem Staat“, und behauptet, daß in den aktuellen Stiftungsgremien Vertreterinnen und Vertreter derselben Institutionen wieder einbezogen seien und damit das Bemühen manifestierten, „auch institutionelle Traditionen wieder aufzugreifen.“

Diese „unmittelbaren Verknüpfungen“ weist die Garnisonkirchen-Fördergesellschaft in einer Stellungnahme zurück, die Unterstellungen entbehrten jeder Grundlage. Sie hält ihre Arbeit für „auf inakzeptable Weise diffamiert“. Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) will die Inschriften auf den 40 Glocken jetzt wissenschaftlich prüfen lassen. Das Ergebnis der Untersuchungen soll diskutiert werden.