© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  KG  www.jungefreiheit.de 39/19 / 20. September 2019

Salvini droht mit Referendum
Früherer Innenminister kritisiert neue Regierung: Italien könnte wieder ein „Flüchtlingslager“ werden
Lukas Steinwandter

Ich möchte, daß jeder Italiener weiß, für wen er stimmt“, ruft Lega-Chef Matteo Salvini seinen Anhängern bei der jährlichen Kundgebung seiner Partei in der lombardischen Kleinstadt Pontida, nordöstlich von Mailand zu. Gemeint ist damit aber auch die neue italienische Regierung, der er gleichzeitig mit einem Referendum droht. Auch für weitere Volksabstimmungen, mit denen er die Regierung ausbremsen wolle, habe er sich schon mit anderen Mitte-Rechts-Parteien abgestimmt, verrät Salvini.

Die Befürchtung des früheren Innenministers: Italien könnte „wieder ein Flüchtlingslager“ werden. Besonders die neue Koalition aus Fünf-Sterne-Bewegung und sozialdemokratischem Partito Democratico (PD) kritisierte er scharf für die Aufnahme von Einwanderern des Rettungsschiffs „Ocean Viking“. Die Flüchtlingshilfsorganisationen hätten gefeiert. „Bei der Einwanderung sieht es schlecht aus in der kommenden Zeit.“

Hier sei das Italien, das gewinnen werde, betonte Salvini vor den etwa 80.000 Zuhörern – laut Lega so viele wie nie zuvor. „Haß und Angst beherrschen Pontida nicht. Mit einem Lächeln reagiert man auf die Beleidigungen. Hier leben keine Leute, die an ihren Sesseln kleben, hier leben Männer und Frauen mit Werten!“ Mit Blick auf die gescheiterte Koalition mit den Fünf Sternen ergänzte er: „Ich kann gerne sieben Ministerien den Verrätern überlassen. Denn wir werden sie uns in wenigen Monaten mit Zinsen zurückholen.“

In einem Interview mit dem Corriere della Sera kündigte Salvini anschließend an, seine Partei werde alle Werkzeuge nutzen, die die Demokratie zur Verfügung stelle. Von den Bürgermeistern bis zu den Regionen werde man sich gegen die Regierung stellen.

Italiens Premierminister Giuseppe Conte (parteilos) will unterdessen osteuropäische Staaten zahlen lassen, sollten sie weiter die Aufnahme von Asylsuchenden verweigern. Die sogenannten Visegrad-Länder Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei sollen demnach „beträchtlich“ zur Kasse gebeten werden, teilte Conte via Facebook mit. Alle vier Staaten haben sich bisher den europäischen Verteilmechanismen verweigert und auch keine Einwanderer aufgenommen, die mit privaten Flüchtlingsschiffen nach Italien oder Malta gebracht wurden.

Salvini hatte Anfang August die Koalition zwischen seiner Partei und den Fünf Sternen beendet und Neuwahlen gefordert. Daraufhin hatte Staatspräsident Sergio Mattarella jedoch Ministerpräsident Conte mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt, zu der sich Fünf Sterne und die PD zusammenfanden.

Die Lega legt allerdings auch in den neusten Meinungsumfragen wieder zu, steigt auf 35 Prozent und bleibt damit klar stärkste Kraft.