© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  KG  www.jungefreiheit.de 39/19 / 20. September 2019

Grüße aus Brüssel
Afrika in Brüssel
Albrecht Rothacher

Zwischen Königspalast und der edlen Avenue Louise liegt in der Brüsseler Oberstadt der Stadtteil Matongé, von dem in Reiseführern nie die Rede ist. Für einen Besuch ist ein Sonntagmorgen günstig. Denn zum einen ist es zu dieser Zeit dort noch relativ sicher. Zum anderen spart man die Flugkarte ins afrikanische Kin­shasa – es leben nämlich fast nur Kongolesen in Matongé. 

Zu Beginn fällt auf, daß – Gott sei Dank – dauernd die Müllabfuhr in Aktion ist. Auf der Hauptstraße, der Chaussée de Wavre, gibt es jede Menge Lebensmittelläden mit exotischen Früchten, Maniok, Jam-Wurzeln, Kassavaknollen, Kochbananen, merkwürdigen Gewürzen, getrockneten Termiten und allerlei undefinierbares Fleisch.

 Dann durcheilt man eine lange Galerie, in der bunte Gewänder und unendlich viele Perücken feilgeboten werden. Am eindrucksvollsten sind die vielen Frisiersalons und Nagelstudios. Buchstäblich Hunderte Afrikanerinnen – sowie auch etliche Herren der Schöpfung – lassen sich dort von wiederum Hunderten von Friseusen stundenlang mit Zöpfchen und bunten Haarsträhnen verschönern. Ob mit Erfolg liegt im Auge des Betrachters.

Füllige Matronen und bullige Leibwächter – huldvoll grüßt er die applaudierende Menge.

Auf dem Hauptplatz nahe der Porte de Namur herrscht ein ungeheures Tam-Tam. Mindestens drei Gruppen hauen gleichzeitig auf Blechtrommeln ein und unterhalten die Volksmenge, die aus  einigen Hundertschaften zumeist Afrikanern, aber auch paar Multikultipärchen besteht. 

Gleichzeitig finden in diesem Tohuwabohu auch politische Kundgebungen statt. Die sind sehr witzig: Ein schwergewichtiger Politiker im Nadelstreif mit Goldkettchen um den Hals und dicker Rolex-Uhr am Handgelenk brüllt minutenlang in ein Mikrophon. Ob für oder gegen das Regime im Kongo entzieht sich, weil er ausschließlich Kongolesisch spricht. Auf alle Fälle wird ihm begeistert applaudiert. Mit seinem Harem,  einigen sehr fülligen, edel gewandeten Matronen und einigen hübschen jüngeren Frauen dahinter, zieht er, von bulligen Leibwächtern und Gefolgsleuten umringt, seiner Wege, huldvoll die applaudierende Menge grüßend. Zehn Minuten später das gleiche Ritual mit dem nächsten Politikus. Alle scheinen sie das Potential zum perfekten Diktator zu haben.

Alles verlief friedlich, doch ist das nicht immer so. Gelegentlich prügeln sich Pro- und Anti-Kabila-Leute und verletzen nebenbei Dutzende belgische Polizisten, die die Schläger trennen sollen.