© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  KG  www.jungefreiheit.de 39/19 / 20. September 2019

Frisch gepresst

Reinhard Höhn. Das Institut für Staatsforschung, 1932 während der Agonie der Weimarer Republik an der Universität Kiel gegründet, sollte der Vermittlung zwischen Staatsrechtswissenschaft und politischer Praxis und damit letztlich der Stärkung demokratischen Bewußtseins dienen. Der anwendungsbezogene, pragmatische  Anspruch blieb 1935 bestehen, als das Reichswissenschaftsministerium das Institut der Berliner Universität zuschlug. Nur demokratische Gesinnungspflege nach dem Vorbild des untergangenen Republik stand nicht mehr auf dem Programm des neuen Institutsdirektors Reinhard Höhn (1904–2000). Der gestaltete es vielmehr zu einem Think Tank der SS-Führung um, das vor allem das Wehr- und Polizeirecht des NS-Staates wissenschaftlich legitimieren sollte. Ein Mann solchen Kalibers, eine hohe SS-Charge aus der Entourage Heinrich Himmlers, entwickelte sich nach 1945 zu einem der prominentesten Managementdenker der Bundesrepublik. Seine im „Harzburger Modell“ kreierte, die NS-Gemeinschaftsideologie tradierende Führungslehre formte die Unternehmenslandschaft des Wirtschaftswunderlandes bis in die 1970er Jahre. Wie diese atemberaubende deutsche Karriere möglich war, untersucht Alexander O. Müllers von Frank-Lothar Kroll (TU Chemnitz) betreute Dissertation. Sie liefert einen vom üblichen engen Moralkorsett befreiten Beitrag zur „Reflexion der Kontinuitäten“ (Karlfried Gründer) deutscher Eliten-Geschichte. (dg)

Alexander O. Maurer: Reinhard Höhn. Ein Leben zwischen Kontinuität und Neubeginn. be.bra wissenschaft verlag, Berlin 2019, 336 Seiten, Abbildungen, 46 Euro





Ruhrgebiet. Als Vorsitzender der Essener Tafel sorgte Jörg Sartor 2018 für Schlagzeilen, als er einen Aufnahmestopp für Ausländer zugunsten einheimischer Bedürftiger in seiner Einrichtung verkündete. Jetzt hat der frühverrentete Bergmann und treue SPD-Wähler eine Streitschrift vorgelegt, in der er den Niedergang des Ruhrgebiets beschreibt und das Wegschauen der Politik beklagt. Kriminelle Clans kontrollierten inzwischen ganze Stadtteile, Alteingesessene fühlten sich abgehängt, die Altersarmut steige. Sartor plädiert deshalb für einen Revier-Aufbauplan. (tha)

Jörg Sartor: Schicht im Schacht. Verarmung, gescheiterte Integration, gespaltene Gesellschaft – der Niederang des Ruhrgebiets. Eine Streitschrift, Heyne, München 2019, kartoniert, 221 Seiten, 9,99 Euro