© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/19 / 27. September 2019

Amazon will mit Elektrolieferwagen CO2-neutral werden
Auf Gretas Spuren
Thomas Kirchner

Ein neuer Wind weht bei Amazon. Bis 2040 will der Internetriese CO2-neutral werden. Der Sinneswandel geht angeblich auf eine Initiative von 700 der weltweit 650.000 Angestellten zurück, die sich am Klimastreik beteiligt hatten und einen Forderungskatalog an ihren Arbeitgeber gestellt hatten. Neben null CO2-Emissionen bis 2030 hatten sie auch gefordert, keine Öl- und Gasfirmen mehr als Kunden des Cloudservice AWS zu akzeptieren und Spenden an 68 klimaskeptische Abgeordnete einzustellen. Amazons Ankündigung am Tag vor Gretas Weltklimastreik  war also in erster Linie ein defensives Manöver.

Amazon ist ausnahmsweise einmal nicht Pionier, sondern Nachzügler. Walmart experimentiert schon seit 2005 mit Energieinitiativen. Die hauseigene Lkw-Flotte, eine der größten der Welt, wurde mit Hybridautos ergänzt, auf den Dächern von 200 Supermärkten durfte Solar City Photovoltaikanlagen installieren. Weil einige davon wegen schlampiger Installation in Flammen aufgingen, führt Walmart einen Rechtsstreit mit der Teslatochter. Zusätzlich hat Walmart mehrere Dutzend der bisher nur angekündigten elektrischen Semi-Trucks bei Tesla vorbestellt. Auch wenn Walmart sich über die kostenlose Werbung in Sachen Klimarettung freuen dürfte, stehen finanzielle Interessen im Vordergrund: Die Margen im Discount-Einzelhandel sind hauchdünn und zwingen zu Einsparungen an jeder Ecke. Amazons Motivation dürfte ähnlich kommerziell ausgerichtet sein. Die Firma investiert bereits in Wind- und Solarparks, hauptsächlich der wertvollen Steuervorteile wegen. 100 Millionen Dollar wurden schon als Ablaßhandel in Wiederaufforstung gesteckt. Und beim Transport macht es Amazon jetzt Walmart nach.

Hatte der Konzern aus Seattle noch vor ein paar Jahren, ähnlich wie die Deutsche Post, Drohnen für die Lieferung zur Haustür getestet, hat sich die Technologiemode hin zur E-Mobilität gewandelt. Dementsprechend wird Amazon 100.000 Elektrolieferwagen der Chicagoer Firma Rivian im Gesamtwert von zehn Milliarden Dollar kaufen. Rivian war auch schon vorher kein Mauerblümchen: Ford hatte 500 Millionen Dollar investiert und will einen Teil der Riviantechnik für eigene Elektrofahrzeuge nutzen. Ob Ford danach die bestehende Kooperation mit der zum Verkauf stehenden Streetscooter-Sparte der Deutschen Post noch braucht, ist fraglich. Seit einem Jahr produziert Ford ein Paketliefermodell auf Basis des Ford Transit.

Insgesamt 1,5 Milliarden Dollar sind in Rivian geflossen, wovon Amazon selbst 700 Millionen beigesteuert hatte. Streetscooter kann da nicht mithalten. Auch wenn kein einziger E-Lkw je an Amazon geliefert werden sollte, ist Rivian über Nacht zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten nicht nur für Streetscooter, sondern auch für Tesla geworden. Dank seiner Beteiligung könnte Amazon selbst heiße Luft in bare Münze verwandeln.