© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/19 / 27. September 2019

Spontan ist hier gar nichts
Hinter der Fassade der Klima-Proteste: Den jugendlichen Aktivisten wird ihr Rebellentum leicht gemacht
Thorsten Hinz

Die 1990er Jahre waren das Jahrzehnt der Boygroups: Die Backstreet Boys, Caught in the Act und New Kids on the Block wurden rauf- und runtergespielt. Wichtiger als Musik und Gesang waren das gute Aussehen der Jungs und ihre lasziven Tanzeinlagen. Die Fama wollte wissen, daß sie sich total zufällig getroffen und spontan entschlossen hatten, ihren Spaß an der Musik gemeinsam auszuleben und mit dem Publikum zu teilen. Ein ganzes Lebensgefühl sollte verkauft werden: frei, jung, frisch, dynamisch, optimistisch und konsumfreudig.

In Wirklichkeit waren die Bands zielgenau gecastete, synthetische Produkte: Es gab den Macho, den Intellektuellen, den Latin Lover, den Romantiker, den Spaßmacher sowie das Nesthäkchen, das Beschützerinstinkte weckte. Und natürlich mußten sie ungebunden sein, damit die Fans beiderlei Geschlechts sie für erreichbar halten und von ihnen träumen konnten.

Die Parallelen zu den führenden Mädels und Jungs aus der Klimaschutz- und „Fridays for Future“-Szene sind verblüffend. Die Dicken und Häßlichen, die es nach aller statistischen Wahrscheinlichkeit ja auch geben muß, wurden aussortiert. Greta Thunberg (16) ist keine Widerlegung dieser These, sondern sie bildet das dialektische Gegenstück. Mit ihrer Mischung aus Inselbegabung und Behinderung ist sie zur unangreifbaren, ins Heilige entrückten, sinngebenden Instanz geworden.

Die Studentin Luisa Neubauer mit ihren immerhin schon 23 Jahren verströmt einen weichen, mädchenhaften Charme. Der blonde Wuschelkopf Jakob Blasel erfüllt die Rolle des romantisch-idealistischen Jünglings. Der 20jährige Maximilian Reimers, der eine Ausbildung zur Fotomedienkraft absolviert, nimmt mit modischer Nerdbrille zumindest äußerlich die Position des Nachwuchs-Intellektuellen ein. Der junge Linus Steinmetz mit den unwiderstehlichen Kulleraugen ist der kleine Süße in der Runde. In diesem Sinne könnte man noch sämtliche Carlas, Franziskas, Ragnas, Ronjas, Svenjas, Florians und Sebastians, die die Medien als Anvantgarde der jungen Generation präsentieren, durchdeklinieren. Und natürlich gehören auch die Uneigennützigkeit, die unfertige Spontanität, die reine Moralität ihres Engagements zum Image, das von ihnen verbreitet wird.

Das ist eine Propaganda-Fassade, hinter der ein professionell inszeniertes Minderheitenprogramm grün eingefärbter Akademikerkinder abläuft. Freilich sind auch sie eher Komparsen als echte Akteure, die in einem Zusammenspiel von Politik, Medien, Mäzenen und Klimakonzernen mitwirken, wie JF-Reporter Hinrich Rohbohm bereits im Mai dieses Jahres aufgedeckt hat („Ein Puppenspiel“, JF 20/19).

Spontan ist hier gar nichts. In der Regel sind die Jungaktivsten mit den Grünen, der Grünen Jugend, mit Greenpeace, im Einzelfall mit der Linkspartei verbandelt. Das Rebellentum wird ihnen ganz leicht gemacht: Für Presseauftritte stehen ihnen die Bundespressekonferenz oder das Naturkundemuseum in Berlin mit dem eindrucksvollen Dinosaurier-Gerippe zur Verfügung. Die Medien gewähren ihnen nicht nur viel Raum, sie agieren als regelrechte PR-Agenturen. Quasi aus dem Nichts wurde die Klimakämpferin Luisa Neubauer zum „deutschen Gesicht der ‘Fridays for Future’-Proteste“ erklärt. Oft genug wiederholt, wurde die Behauptung zur öffentlichen Tatsache. Es spricht für ihre Professionalität, daß Neubauer und Blasel sich gern an der Seite von Greta zeigen, was für einen Renommee- und Bekanntheitstransfers sorgt.

Neubauer, die eloquente Stipendiatin der Heinrich-Böll-Stiftung, hat bereits eine frühe Musterkarriere hingelegt. In Tansania war sie in der Entwicklungshilfe tätig, sie war Jugendbotschafterin für Kampagnenorganisation, in Berlin hat sie Obama und im Elysee-Palast den französischen Präsidenten Macron getroffen. 2018 gehörte sie zu den vier deutschen Delegierten beim Jugendgipfel der G7 in Kanada und war „Youth Observer“ (Beobachterin) bei der UN-Klimakonferenz in Kattowitz.

Der 15jährige Linus Steinmetz hat sich nicht nur als Klimakaktivist, sondern auch als Vorkämpfer für Unisex-Toiletten an seinem Gymnasium einen Namen gemacht. Es gehe darum, „unsere Schule inklusiver und offener für alle zu gestalten“, erklärte der Schülersprecher, denn: „Wir wollen alle Menschen miteinschließen und deutlich machen, daß alle bei uns willkommen sind. Wir wollen zeigen, daß wir bunt sind.“ Später will er „irgendwas mit Politik“ machen, etwas, „das die Welt verändert“. Zum Beispiel durch „sozial ausgewogenen Klimaschutz, der niemanden zurückläßt“. Der Junge beherrscht schon perfekt den Politikerjargon, das heißt: Er wird von ihm beherrscht. Die Beflissenheit, mit der er die standardisierten Sprachfertigteile benutzt, läßt weniger auf eine politisierte als auf eine autoritäre Persönlichkeit schließen.

Im Vergleich dazu nimmt die 14jährige Franziska Wessel sich geradezu unschuldig aus. In einem Interview mit dem Deutschlandradio empfahl sie im Januar dieses Jahres, beim Heizen das Fenster zu schließen, die Lampen auszuschalten, „oder auch einfach Geräte nicht nur auf Standby zu stellen, sondern ganz auszumachen“. Sie weiß: „Es gibt ganz viele kleine Dinge“, um den CO2-Ausstoß zu senken. So haben ihre Eltern – die als Journalisten tätig und Träger des Umweltpreises sind – das klimaschädliche Auto abgeschafft. In ihrer herzlichen Naivität legt sie den anthropologischen Kern der Bewegung frei: Ihre Tips zur Klimarettung erinnert an die Aktion „Kampf dem Kohlenklau!“, mit der die deutschen Kinder im Zweiten Weltkrieg animiert wurden, der häuslichen Energieverschwendung, die durch eine gräßlich häßliche Comic-Figur personifiziert wurde, den Garaus und den Eltern entsprechend Beine zu machen. „Kohlenklau“ wurde in Bildergeschichten, Brett- und Kartenspielen verbreitet und konnte aus Kindern kleine Tyrannen machen.

Beinahe monströs liest sich die Karriere des 21jährigen Felix Finkbeiner, die schon 2007 begann, als der Viertkläßler  ein Schulreferat über den Klimawandel hielt, in dem er vorschlug, daß Kinder in jedem Land der Welt eine Million Bäume pflanzen sollten. Zusammen mit anderen Kindern an seiner Schule pflanzte er einen Baum und gründete damit Plant-for-the-Planet. „Zehn Jahre später“, teilt Wikipedia treuherzig mit, „hatte die Organisation 130 Mitarbeiter und 70.000 Mitglieder in 67 Ländern.“

Natürlich geht das nicht auf die spontane Idee eines Neunjährigen zurück, sondern hat damit zu tun, daß sein Vater, Frithjof Finkbeiner, Multifunktionär für internationale Klimaorganisationen ist. Mit zehn Jahren wurde Felix Mitglied im Junior-Board des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, mit zwölf erhielt er die Bayerische Staatsmedaille und durfte mit dreizehn vor der Uno-Vollversammlung sprechen. Kurz darauf wurde er vom britischen Guardian zu den 20 „Grünen Riesen“ und vom Focus zu einem der hundert einflußreichsten Deutschen ernannt. 2015 war er Europäer des Jahres, 2016 wählten ihn die Wirtschaftsjunioren der Welt zu einem der zehn herausragenden jungen Menschen weltweit. Im Mai 2018 verlieh der Bundespräsident dem Zwanzigjährigen das Bundesverdienstkreuz für sein Engagement für Klimagerechtigkeit. Der straffe Werdegang erinnert eher an eine Ponydressur als an die Entfaltung einer freien Persönlichkeit.

Hier liegt ein Extremfall vor, der aber auch exemplarisch ist, weil er zeigt, wie diese Aktivisten schon von Jugend an in einer Parallelwelt leben, die aus Tagungen, Reisen, Hotels, öffentlichen Auftritten, Blitzlichtgewitter, Medienaufmerksamkeit, Siegerehrungen und Einladungen zu internationalen Organisationen besteht. Die Privilegierung bedeutet auch eine Entfremdung, denn ihre exklusive Existenz hängt unmittelbar davon ab, daß der menschengemachte Klimawandel und ihr Kampf dagegen unbestritten bleiben. Sie sind seine Nutznießer und gleichzeitig in ihm gefangen.

Jakob Blasel meint: „Schülerstreiks sind verboten, aber wirksam.“ Vermutlich ist er sich der Koketterie der Aussage gar nicht bewußt, denn das würde bedeuten, im vorgeblichen eigenen Rebellentum die Erfüllung einer Fremdbestimmung und damit den blanken Opportunismus und eine Lebenslüge zu erkennen. Natürlich müssen die „Fridays for Future“-Organisatoren keinerlei Sanktionen befürchten. Sie exerzieren beispielhaft einen auf Permanenz gestellten gesellschaftlichen Ausnahmezustand vor, in dem die politisch-ideologische und moralische Linientreue die Treue zum Gesetz überlagert und ersetzt. Straftaten bei sogenannten Klimaprotesten bleiben ungeahndet, wohingegen die Identitäre Bewegung, die strikt im gesetzlichen Rahmen bleibt, einem scharfen Verfolgungsdruck ausgesetzt ist, weil sie der Multikulti-Ideologie zu widersprechen wagt.