© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/19 / 27. September 2019

Umwelt
Theorie und Trinkpraxis
Boris T. Kaiser

Laut der alle zwei Jahre erhobenen Studie zum „Umweltbewußtsein in Deutschland“ halten zwei Drittel Umweltschutz für so wichtig wie soziale Gerechtigkeit. In der Praxis gilt eher Bertolt Brechts Befund aus seiner „Dreigroschenoper“: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“ Denn der Anteil von Mehrweggetränkeverpackungen ist kontinuierlich gesunken. Lag er 2010 noch bei 48 Prozent, wurden 2017 nur noch rund 42 Prozent von Bier, Cola, Mineralwasser oder Saft in Mehrwegflaschen abgefüllt. Dabei ist diese aus Umweltschutzsicht natürlich die deutlich bessere Alternative zur Dose oder Einwegflasche. Glasmehrwegflaschen können etwa 50mal und PET-Mehrwegflaschen 20mal befüllt werden. Beide sparen Energie und Rohstoffe sowie vermeiden Abfälle. Wichtig ist zudem: Ein Produkt der Heimatregion verringert die Dieselabgase des Fernverkehrs. 

Eine Ausnahme ist das Bier, wo der Mehrweg­anteil bis heute noch bei 82 Prozent liegt.

Da Getränkeverpackungen mehr als ein Viertel der Verpackungsabfälle im grünengläubigen Land der Luftballon- und Plastiktütenverbote ausmachen, würde ein höherer Mehrweganteil den Verpackungsabfall regional und überregional deutlich reduzieren. Die umweltbewegte Jugend scheint die Straßen und Plätze, auf denen sie ihre „Fridays for Future“-Demos abhält, aber offenbar lieber mit Einwegplastik zuzumüllen. Zumindest werden Limonaden oder Mixgetränke auch an junge Menschen am häufigsten in diesen 25-Cent-Flaschen verkauft. Deutlich weniger vorzuwerfen hat sich unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten dagegen der konservative Biertrinker. Beim Gerstensaft sank der Mehrweganteil nur von 88 auf 82 Prozent. Der verpönte Brummi-Fahrer, der das Bier der Heimatbrauerei mit seinem älteren Lkw mit Rußfahne in die Getränkemärkte der Umgebung fährt, dürfte eine deutlich bessere Umweltbilanz als jeder Hipster auf einem E-Scooter haben, der über ihn die Nase rümpft.