© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/19 / 04. Oktober 2019

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Geben ist seliger denn Nehmen
Paul Rosen

Wer mit dem Auto vom Tiergarten kommend über die Kronprinzenbrücke in die Reinhardtstraße fährt, wird den unmittelbar nach der Brücke nach rechts abzweigenden Schiffbauerdamm leicht übersehen. Hier fährt nur rein, wer genau weiß, wo er hin will und daß er das auch darf. Am Ende der Straße befindet sich die Ein- und Ausfahrt des „Unterirdischen Erschließungssystems“ (UES) des Deutschen Bundestages. 

Hier wird alles für das Parlament angeliefert: Von Essen und Trinken über Bürobedarf bis hin zu Post und Paketen. Die Lastwagen von DHL halten an einer großen Verladerampe, an der mehrere Lkw gleichzeitig abgefertigt werden können. Und wer hier in der Vorweihnachtszeit entlanggeht, kann nur noch staunen, welch große Mengen dort entladen werden. 

In den Abgeordnetenbüros, wo die Fracht schließlich ankommt, herrscht dann Festtagsstimmung: Marzipan und edles Gebäck finden sich auf den Tischen; Wein, Champagner, Sekt und edle Brände aller Kategorien werden zunächst in die Schränke gepackt und später konsumiert, weil kein Mensch auf einmal so viel trinken kann. Die Absender sind ein Spiegelbild der deutschen Wirtschaft: Unternehmen, Unternehmensverbände und Lobbyisten lassen zum Fest tonnenweise Geschenke in die Bundestagsliegenschaften transportieren. Als besonders spendabel gilt die Rüstungsbranche. Ihre Tagungen finden an den vornehmsten Adressen statt; und als Präsente erreichen schon mal handgenähte Aktentaschen aus bestem Leder die Büros. 

Nach Medienberichten kamen teure Präsentkörbe vom Nobelkaufhaus KaDeWe im Auftrag des Rüstungslobbyisten Ahmad El Husseini, der offenbar den Verkauf von Marineschiffen an Algerien befördern sollte, auch im Bundestagsbüro des damaligen Außenministers Frank- Walter Steinmeier (SPD) an. Die Rede ist von Rotwein und Champagner im Wert von 1.323,99 Euro. Der heutige Bundespräsident ließ dazu erklären, El Husseini habe „zu keiner Zeit Einfluß auf politische Positionierungen oder Entscheidungen des Abgeordneten oder Außenministers Frank-Walter Steinmeier gehabt“. An konkrete Gaben von El Husseini kann sich Steinmeier nicht erinnern; daß es generell Geschenke gab, wird nicht bestritten. Sie seien unter den Mitarbeitern aufgeteilt oder für wohltätige Zwecke zur Verfügung gestellt worden. 

Bundesminister müssen Geschenke im Wert von über 153 Euro dem Kanzleramt anzeigen. Verboten ist die Annahme nicht, auch wenn Verzicht empfohlen wird. Auch bei Abgeordneten ist die Annahme von Geschenken grundsätzlich zulässig, allerdings nicht in Fällen, in denen es Geschenke nur deshalb gibt, „weil dafür die Vertretung und Durchsetzung der Interessen des Leistenden im Bundestag erwartet wird“, wie es in den Verhaltensrichtlinien heißt. Gastgeschenke im Wert von über 200 Euro aus Anlaß von Mandatsreisen müssen dem Bundestagspräsidenten ausgehändigt werden. Im Laufe vieler Jahre haben sich so im Bundestag Asservate angesammelt, die einen großen internationalen Souvenirladen füllen würden.