© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/19 / 04. Oktober 2019

Wahrheit der Woche
Ordnungshüter
Christian Vollradt

Daß die Bundesrepublik einst den antitotalitären und nicht wie die vor dreißig Jahren verdientermaßen in den historischen Orkus vervolksaufstandete DDR einen antifaschistischen Grundkonsens verinnerlichte, ist zunehmend in Vergessenheit geraten. Um so löblicher, daß Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) in der vergangenen Plenarwoche Nachhilfe in politischer Bildung erteilte. „Nicht jeder Antifaschist ist ein Demokrat und schon gar nicht ein Verteidiger des Grundgesetzes“, schrieb der Liberale auf seiner Facebook-Seite und lieferte noch einmal die Begründung, warum er der Abgeordneten Martina Renner von der in „Die Linke“ umbenannten SED zuvor einen Ordnungsruf erteilt hatte. Die Innenexpertin ihrer Fraktion trug im Plenum einen Anstecker mit roter und schwarzer Fahne – Symbol der Antifa. Das Tragen „eines Buttons dieser Gruppierung, die Übergriffe auf Polizeibeamte und Angriffe auf staatliche Einrichtungen legitimiert und zum Teil aktiv betreibt“ sei „mit der Würde des Parlaments unvereinbar“, so Sitzungsleiter Kubicki. Als sich daraufhin in der Linksfraktion  Protest erhob, verpaßte Kubicki auch Parteichefin Katja Kipping noch einen Ordnungsruf und kündigte an, es könnten weitere folgen. Bürgerliche Politiker lobten Kubickis Einschreiten, Renner stilisierte sich in ihrer Twitter-Blase zur Widerständlerin.