© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/19 / 04. Oktober 2019

Grüße aus Tirana
Ankaras Einfluß
Hans-Jürgen Georgi

Unter dem kommunistischen Machthaber Albaniens, Enver Hodscha, hieß es in der Verfassung: „Der Staat erkennt keinerlei Religion an“. Doch inzwischen sind viele der unter ihm zerstörten Gotteshäuser restauriert oder neu aufgebaut worden. Unübersehbar sind die vielen neuen Minarette im ganzen Land. Die Moscheen sind gut besucht, und der Versuch der Reislamisierung, insbesondere durch die Türkei, ist spürbar. Doch der Alltag scheint davon (noch) unberührt. Alkoholische Getränke sind ebenso wie Schweinefleisch auf jeder Speisekarte und in jedem Geschäft zu finden. Und Frauen im Hidschab begegnet man hier innerhalb einer Woche weniger als an einem Nachmittag auf der einst bürgerlichen Einkaufsmeile in Berlin-Steglitz, der Schloßstraße.

Die Mehrheit der Abfälle landet, in Plastiktüten verpackt, an Straßenrändern oder gleich in der Landschaft.

Seltsam weltfremd erscheinen dann die Meldungen aus Deutschland, wenn die dortige Umweltministerin die Plastiktüten nun endgültig verbieten will. In Albanien würde die „Müllentsorgung“ ohne Plastiktüten nicht funktionieren. Auch wenn es durchaus Müllcontainer und Müllautos gibt, die Mehrheit der Abfälle landet, in Plastiktüten verpackt, an Straßenrändern, in der Landschaft oder in ausgetrockneten Wasser- und Flußläufen. Von hier werden sie beim nächsten Regenguß oder durch die steigenden Wasser der frühjährlichen Schneeschmelze mitgerissen. 

Kein deutscher Strom dürfte mehr Plastiktüten in die deutschen Meere transportieren als die Flüsse Albaniens in die Adria. Hier könnten deutsche Umweltschützer noch viel bewirken, und Deutschland wäre von ihnen etwas entlastet.

Übrigens: Unlängst kam in Tirana wieder einmal der (un)heimliche Einfluß der Türkei auf den kleinen Balkanstaat zum Vorschein. Ohne Wissen der Öffentlichkeit wurde am 15. Juli im Großen Park von Tirana ein Denkmal für die Opfer des Staatstreichs von 2016 in der Türkei eingeweiht. In den Unterlagen der Stadtverwaltung oder des Stadtparlaments findet sich nicht die Spur eines Genehmigungsverfahrens. Unmut  machte sich breit, und der Gedenkstein wurde schon beschädigt. 

Die Frage in der Öffentlichkeit, welchen Bezug die Albaner zum Putsch in der Türkei hätten, wird nun dahingehend erweitert, ob das gute Verhältnis des albanischen Ministerpräsidenten Edi Rama zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nicht zu sehr auf die staatlichen Institutionen in Albanien durchschlage.