© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/19 / 04. Oktober 2019

Wer mehr verdient, wird mehr reisen
Flugbranche: Während die Bundesregierung Flüge massiv verteuern will, hat Airbus global gesehen glänzende Geschäftsaussichten
Christian Schreiber

Mit 107,4 Millionen Passagieren ist der Flughafen von Atlanta das größte Drehkreuz der Welt. Seit 2010 ist dem US-Hub der Capital International Airport (2018: 101 Millionen Fluggäste) dicht auf den Fersen. Doch der 1958 eröffnete und stark erweiterte Flughafen von Peking ist kaum auszubauen. Daher begann 2014 (dem Jahr drei der Nichteröffnung des Berliner Hauptstadtflughafens BER) im Pekinger Bezirk Daxing der Bau eines zweiter Megaairpots – und er wurde vorige Woche feierlich von Staatschef Xi Jinping eröffnet. Ein doppelstöckiger Airbus A380 von China Southern, der Richtung der 15-Millionen-Metropole Kanton (Guangzhou) abhob, war der Jungfernflug des Beijing Daxing International Airport (PKX).

Fluggastzahl wird sich auf acht Milliarden verdoppeln

66 Fluggesellschaften wollen künftig von PKX starten. Bis Jahresende sollen 112 Flugziele erreichbar sein. Mit 700.000 Quadratmetern ist das PKX-Terminal schon jetzt das größte der Welt. Perspektivisch sollen 100 Millionen Passagiere pro Jahr den Flughafen nutzen. Frankfurt liegt mit 69,5 Millionen Passagieren nur auf Weltrang 14, München mit 46,3 Millionen auf Platz 38 – aber wie lange noch? Denn die Bundesregierung will mit ihrem „Klimaschutzprogramm 2030“ Flüge massiv verteuern.

Das bedroht letztlich 850.000 Arbeitsplätze in Deutschland, die direkt oder indirekt von der Luftfahrtbranche abhängen. Die Aktionäre der Flugzeughersteller müssen sich weniger Sorgen machen: Airbus rechnet in einer aktuellen Prognose bis 2038 mit einem Bedarf von 39.210 neuen Passagierflugzeugen – 1.800 mehr als 2018 veranschlagt. Dabei bezieht sich der europäische Flugzeugkonzern nur auf Typen mit mindestens 100 Sitzplätzen. Die weltweite Flugzeugflotte werde sich bis 2038 – dem Jahr des deutschen Kohleausstiegs – auf fast 48.000 Jets mehr als verdoppeln, schätzt Airbus-Verkaufschef Christian Scherer.

Der Luftverkehr werde im Jahresschnitt voraussichtlich um 4,3 Prozent wachsen, rechnete Airbus-Marktexperte Bob Lange vor. Hintergrund sei die wachsende Mittelschicht vor allem in Asien: „Wenn die Menschen mehr verdienen, werden sie mehr reisen.“ In Indien werde sich der Flugverkehr bis 2038 fast verfünffachen. Der Flughafen von Delhi lag 2018 mit 69,9 Millionen Passagieren knapp hinter Paris und Amsterdam auf Weltrang zwölf. Bombay (Mumbai) liegt mit 49,9 Millionen schon auf dem Niveau von Barcelona. Aus der Region Asien-Pazifik erwartet Airbus einen Großteil der Nachfrage mit 16.500 neuen Flugzeugen in den kommenden beiden Jahrzehnten – das sind mehr als in Europa und Nordamerika, wo Boeing Marktführer ist, zusammen.

Fast drei Viertel der künftigen Nachfrage werde auf Mittelstreckenjets wie den Airbus A320neo oder die Boeing 737 entfallen – und das, obwohl das 737-Max-Flugverbot nach zwei Abstürzen weiterhin anhält. „Wir erwarten, daß wir in diesem Segment einen Marktanteil von mehr als 50 Prozent halten können“, gibt sich Scherer bescheiden. An neue Wettbewerber aus China und Rußland glaubt er hingegen nicht. Die „Fridays for Future“-Klimapanik könnte also allenfalls dazu führen, daß der heimische Markt für Airbus unwichtig wird.

Die globale Ticketnachfrage läßt sich vom Greta-Zorn nicht beeindrucken: Mit 200.000 gestarteten Flügen an nur einem einzigen Tag wurde 2018 ein Rekord aufgestellt. Über 19.000 Flugzeuge waren gleichzeitig in der Luft. Während 2018 etwa vier Milliarden Menschen ins Flugzeug stiegen, könnten es in 20 Jahren doppelt so viele sein. Derzeit sind mit jährlich 750 Millionen Fluggästen aber immer noch die USA der bedeutendste Flugzeugmarkt. Doch laut Schätzung des Luftfahrtverbands IATA werden bereits ab 2022 in China die meisten Passagiere abheben. Bis 2036 soll sich die Passagieranzahl im Reich der Mitte auf 1,5 Milliarden verdreifachen – verlockende Aussichten für die Branche. Airbus hat allerdings ein anderes Problem: Die Flugzeugproduktion komme der Nachfrage kaum hinterher. Vom 737-Max-Debakel betroffene Airlines können nicht einfach zu Airbus wechseln. Die Komplexität der Produktion nehme zu, mußte Airbus-Chef Guillaume Faury in der Welt eingestehen. Für das laufende Jahr peilt der Franzose 880 bis 890 Auslieferungen an – immerhin mehr als Boeing. Aber „dauerhaft mehr Bestellungen zu haben, als man abarbeiten kann, ist auch keine gesunde Entwicklung“, findet Verkaufschef Scherer. 

„Global Market Forecast 2019–2038“: 

 www.airbus.com

 daxing-pkx-airport.com