© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/19 / 04. Oktober 2019

CD-Kritik: Anton Bruckner, Alan Gilbert
Konfliktvermeider
Jens Knorr

Für ihre erste gemeinsame Aufnahme haben sich das NDR Elbphilharmonie Orchester und Alan Gilbert, seit dieser Spielzeit Chefdirigent des Orchesters, auf Bruckners Siebente geeinigt, die vermeintlich unproblematischste und folglich populärste Symphonie des Komponisten. 

In breiten Tempi und mischklangversessen entwickeln sie organisch eins aus dem andern, als wollten sie den Erfolg der Leipziger Uraufführung, ein Mißverständnis, wiederholen. Sie hängen sich an die weitausgespannten Flügel der Melodie, von wo oben die variantentechnischen Reihungsabläufe klein und fern wirken – die spielen sie unter „ferner liefen“. Es scheint, als sei die ganze Symphonie nur um des berühmten Adagios willen dirigiert. Dem darf dann auch der Beckenschlag auf der Klimax nicht fehlen, bohrende und aggressive Momente nicht allein in dem nur mäßig schnell genommenen Scherzo wohl schon.

Indem Orchester und Dirigent in ihrer Schönheits-Süchtigkeit bei dem verharren, was Günter Wand, sein legendärer Chef- und Ehrendirigent, mit Bruckner für uns geleistet hat, nehmen sie es bereits zurück. Von Günter Wands gebrochener Werktreue lassen sie nur mehr gegen die Wirklichkeit außerhalb und innerhalb ihres fensterlosen Hauses abgedichtete „Werktreue“ hören – in einer Aufnahme für Liebhaber klangprächtiger Fugenmasse.

Anton Bruckner Symphonie Nr. 7, E-Dur. Sony Classical 2019  www.alangilbert.com  sonyclassical.de