© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/19 / 11. Oktober 2019

Koalition der Sesselkleber
Italien: Kaum im Amt, fliegen bei den Regierungspartnern PD und M5S die Fetzen
Marco Gallina

Angela Maraventano, Vize-Bürgermeisterin von Lampedusa und Lega-Mitglied, erklärt empört: „Die Schlepper feiern bereits, weil sie wieder ungestört arbeiten können.“ Parallel dazu twittert Lega-Chef Matteo Salvini  erzürnt, daß sich die Migrantenzahlen über das Mittelmeer im ersten Monat der neuen Regierung nahezu verdoppelt hätten. 

Die Lega strickt das Narrativ: Salvini raus, Probleme da. Neben einer Rückkehr der Migrationskrise droht eine Mehrwertsteuererhöhung und ein neues Staatsbürgerrecht, das Migranten, die eine Schule oder eine Universität besucht haben, einen italienischen Paß verleihen soll.

Genug Futter für die Opposition, um Ministerpräsident Giuseppe Conte das Leben schwer zu machen. Dabei gibt es vor allem eins, das Conte den gelb-roten Start verhagelt – nämlich die Regierung selbst. Kaum im Amt, spaltet sich Ex-Premier Renzi mit einigen Genossen vom sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) ab. 

Salvinis Lega lockt M5S-Abgeordnete

Renzi stützt zwar Conte, aber er stiehlt der linken Sammlungsbewegung in den Umfragen wichtige Punkte. Im Parlament schmilzt der PD zur viertstärksten Kraft zusammen. Mit Renzis neuer Partei „Italia Viva“ beruht Contes Macht auf einer zersplitterten Fünf-Parteien-Koalition. 

Weitere Senatoren und Abgeordnete sollen Renzi folgen. Und bei der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) sieht es derzeit nicht besser aus.

Daß die Koalition aus den Basislinken und Sozialdemokraten keine Liebesheirat war, überraschte in Rom niemanden. Der M5S startete als volksnahe Alternative, als neue Hoffnung enttäuschter Kräfte links der Mitte, die sich gegen die „Kaste“ stemmten. Der PD war das bevorzugte Angriffsziel des M5S. „Vergessen Sie nicht diejenigen vom M5S, die jahrelang einen Krieg gegen den PD geführt haben“, äußert Salvini bei Radio Radicale. „Das führt zu einigem Unbehagen.“ 

Salvinis Vizesekretär Andrea Crippa erklärt später, daß die Lega im Kontakt mit 20 M5S-Abgeordneten stehe. Bei zehn von ihnen seien die Gespräche „sehr weit“ fortgeschritten. Zwischen Como und Varese, im tiefsten Lega-Land, lädt Salvinis Partei Mandatsträger des M5S zum Abendessen ein – so berichtet die römische Tageszeitung Il Messagero. Namentlich nennt die Zeitung fünf Abgeordnete. Im sardischen Regionalparlament streiten sich bereits PD-freundliche und Lega-freundliche Gruppen innerhalb der Sterne.

Die Feuertaufe für die neue gelb-rote Koalition droht am 27. Oktober bei der Regionalwahl in Umbrien. Die rote Hochburg soll von einem Bündnis aus PD und M5S gehalten werden. Eine Premiere. So könnte diese Wahl zum Menetekel werden: denn das rechte Lager liegt dort laut Umfragen einen Prozentpunkt vor der „Koalition der Sesselkleber“, wie sie Lega-Chef Salvini nennt.