© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/19 / 11. Oktober 2019

Biomärkte schmeißen AfD-Hirse raus
Verkaufsboykott: Kritik an Windkraft und Klimaschutzkonzepten hat wirtschaftliche Konsequenzen / „Strategische Unvereinbarkeit“
Mathias Pellack

Die Leipziger Lebensmittelkette Biomare hat Produkte der Spreewälder Hirsemühle aus dem Sortiment genommen. Alnatura und Bio Company sind dem Beispiel gefolgt. Was erst einmal nach einem Routinevorgang klingt, ist doch ein Zeichen der gegenwärtigen politischen Verspannungen. „Ausgelistet“, wie Biomare schreibt, wurden die Produkte, weil Hirsemühle-Chef Jan Plessow AfD-Kreisvorstandsbeisitzer in der Region Spree-Neiße ist.

Dies widerspreche der „wichtigsten Aufgabe von Biomare“, nämlich „ein nachhaltiges Sortiment zusammenzustellen“, erläutert die Kette mit drei Filialen ihren Kunden. Das leuchtet nicht jedem sofort ein, deshalb erklärt Geschäftsführer Malte Reupert: Die AfD „leugnet den menschengemachten Klimawandel“. Und durch die Funktion in der Partei stelle sich „der maßgebliche Entscheider der Spreewälder Hirsemühle gegen die Werte der Biomare und der gesamten Bio-Branche“.

Plessow lacht, als er von der JUNGEN FREIHEIT mit dem Vorwurf konfrontiert wird. Er erzählt von seiner Biomasse-Heizung und sagt: „Ich habe hier vor 15 Jahren angefangen, mit ein paar Biobauern die Hirse in Deutschland wieder einzuführen. Im Vordergrund stand damals ökologisch zu wirtschaften, ohne Spritzmittel und ohne Ackergifte. Es ging um Artenschutz, Vielfalt, Ökolandwirtschaft und regionale Produktion. Daß das auch gut für das Klima ist, ist ja eine zwangsläufige Folge schon allein durch die kurzen Transportwege.“

Für Reupert, dessen Vater evangelisscher Pfarrer und überzeugter Marxist war, reicht das nicht. Nachhaltigkeit sei nicht einfach ein „Prinzip, nach dem nicht mehr verbraucht werden darf, als jeweils nachwachsen kann“, wie es der der Duden definiere. Es umfasse „vier Themenkreise mit 54 Unterthemen – eins davon ist Klimaschutz“. Biozertifiziert und regional seien zwei weitere. „Bei regional sehe ich noch nicht, warum dies an sich – über das Heimatgefühl hinaus – überhaupt ein Kriterium für Nachhaltigkeit sein soll.“ Zweifel sind wohl okay, nur muß die politische Richtung stimmen.

Biomare hat nicht erstmals rein politisch ausgelistet

Reupert arbeitete jahrelang für die Grünen, ist aber mittlerweile inaktiv. Daher komme seine Ablehnung aber nicht: „Ich habe diese Entscheidung öffentlich gemacht, weil wir dies immer tun, wenn wir aus Gründen der strategischen Unvereinbarkeit auslisten.“ Der Fairneß halber und um zu zeigen, daß er gesprächsbereit ist, hatte der Biomare-Gründer vorab Plessow mit seinen Vorwürfen konfrontiert. „Bis zur Veröffentlichung am 26. Juli haben Sie gern Gelegenheit, eventuelle Irrtümer oder falsche Schlußfolgerungen aufzuklären. Für einen konstruktiven Dialog stehen wir zur Verfügung.“ Plessow schrieb „in der Hoffnung, noch auf ein Fünkchen demokratisch-freiheitlichen Restverstandes zu stoßen“, ein durchaus emotionales Antwortschreiben mit fast 20.000 Zeichen, fast 4.500 Wörtern, fast fünf Seiten A4-Blätter, auf denen er seine Sicht auf Flüchtlinge und den Klimawandel und die AfD erklärt. „Mit Erstaunen muß ich ihre offensichtlich linksradikale persönliche Einstellung zur Kenntnis nehmen.“

Er nennt das Schreiben von Reupert einen „Fall für den öffentlichen Pranger und/oder den Verfassungsschutz, als daß darauf noch reagiert werden sollte“. Er versuche es aber trotzdem. „Klimaschutz ist aussichtslos.“ Die bisherigen Bemühungen hätten nichts gebracht. Zusätzlich machten die installierten Windräder Menschen in den nahen Dörfern krank. Der Schaden der Windräder an Vögeln und Insekten sei skandalös. Reupert antwortete, zielte wie er sagt „nur eben nicht auf die sachliche Ebene“. Er schrieb: „Sie sind zutiefst gekränkt“, und „ehrlich gesagt sind Ihre Unterstellungen so absurd und paranoid, daß Sie mich damit zum Schmunzeln gebracht haben“.

Auf Nachfrage nennt er die Positionen von Plessow weiter „indiskutabel“: „So eine Gesprächsführung ist eben keine Argumentation, das ist ein Versuch einer Macht- und Überlegenheitsdemonstration“, sagt er der JF. Immerhin übt Reupert Selbstkritik: „Leider findet sich so ein Verhalten auch bei vielen meiner grünen Parteikollegen. In der Vergangenheit hin und wieder auch bei mir.“ Auf die Nachfrage was gültige Argumente seien, mit denen ihm jemand erklären könne, daß er für die AfD arbeitet, sagt er sinngemäß: Keine. „Wenn ich aber meinen emotionalen Kosmos, mein rationales Denken und eine kritische Distanz zu mir selbst integriere, dann habe ich wirklich keine Idee, wie mir jemand erklären könnte, daß er für die AfD arbeitet.“ Die Partei sei „grob unverantwortlich, weil sie mit dem Leugnen des menschengemachten Klimawandels die Zukunft sehr vieler Menschen und sehr vieler Naturräume aufs Spiel setzt“.

Reupert gibt zu, mehrfach aus politischen Gründen aussortiert zu haben. Das verstehe er als „gesellschaftliche Gestaltungswirkung“, das gehe über Parteipolitik hinaus. Getroffen habe es Hersteller, die „ihre Firmen an Großkonzerne verkauft haben, die als weltweite Heuschrecken-AGs an der globalen Ausbeutung und Umweltzerstörung und an der menschengemachten Erderhitzung mitwirken“. Er habe sich auch von einem lokalen Biobäcker getrennt, „der in die Reichsbürgerszene abgedriftet war und dann auch mit dem Hitlergruß und dem Mobbing einer schwarzen Mitarbeiterin klar die Grenzen des für uns Tolerierbaren überschritten hat“.

Plessow hingegen sieht das Problem in einer „Ideologie“, der die Bio-Branche anhängt. „Die haben kein Interesse, das Problem zu lösen.“ Und er berichtet von weiteren Firmen, die ihn nach Reuperts Aktion ausgelistet haben. „Da wird einfach behauptet, die Nachfrage sei nicht mehr da. Da gab es keine wirkliche Stellungnahme, weil die Leute wahrscheinlich Angst vor rechtlichen Konsequenzen haben, wenn sie aus politischen Gründen auslisten. Als gäbe es eine Kontaktschuld.“ Aber er zeigt sich zuversichtlich: „Ich weiß von einigen Großhändlern und Bio-Supermärkten, die ich jetzt nicht nennen will, um den Druck nicht weiter zu verschärfen, daß die sich ausdrücklich dagegen ausgesprochen haben, uns auszulisten.“

Den kompletten Schriftverkehr lesen sie hier

 bio-mare.com

 www.hirsemuehle.de

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